erschütternde Vision der von einer menschenbefreiten Naturharmonie, die
der prachtvoll schönen [rohübersetzt:] „nachmenschlichen Stille“. Das Wort
„nachmenschliche Stille“ wurde sogar inmitten der Vision ausnahmsweise in
allen von mir bekannten ungarischen Ausgaben (vermutlicher Weise vom
Dichter veranlasst) kursiv oder gesperrt gedruckt.
Nahezu 70 Jahre sind seit der Entstehung dieses Gedichtes vergangen mit
zwei Weltkriegen, der vernichtenden Wirkung der ersten Atombombe, dem
Kaltem Krieg und weltvernichtender Kriegstechnik — und die Téth Arpad’sche
Vision mit der ,nachmenschlichen Stille“ (ungarisch ,ember utani csend“)
pulsiert mit immerwährender Aktualität in allen Ungarn, und nicht nur in
Liebhabern von lyrischen Delikatessen. — Schade, dass dies nach der Veröffent¬
lichung des deutschen Bandes für die deutschen Leser nicht möglich sein wird.
Da steht nämlich dafür „nicht mehr nach menschlichem Gebote“ (?) wegen
eines albern verspielten Reimzwanges zu „Blumenboote“. Und nicht nur das!
Die erschütternde elegische Stimmung, das leise zurückhaltende Dahinrieseln
der gedankenschweren, miteinander aufs Engste verflochtenen Metaphorik
und die poetische Dichte der so wichtigen letzten Strophe wurden in der deut¬
schen Übersetzung mit einer Lautstärke von unnützen Frage- und Ausrufe¬
sätzen sowie manchen grellen Ausdrücken und deutelnden Erklärungen gänz¬
lich aufgehoben. Aus der Elegie wurde eher eine dithyrambische Ode, eine
Gattung, die der Töth’schen Dichtung, besonders um diese Zeit, vollkommen
fremd war.
Die deutsche Übersetzung hebt mit einer Frage an: „Sind wir Piraten oder
Waisen ...?“ Für Töth Ärpäd ist dies keine Frage, er schrieb ja von „Piraten und
Waisen ... in der modernen Sintflut des Blutes und der Tränen“, beim Über¬
setzer heißt es dagegen am Versende mit dem grauenvoll grellen Fortissimo
„Blut verspritzten“ und zwar ganz unpoetisch „in solcher Sintflut“. Deutsch
lesen wir eingangs der letzten Strophe zwei Fragen: „Wenn alle untergingen,
keiner je entflöhe?“ Bei Ärpäd Töth steht dagegen (roh übersetzt): „Vielleicht
wir alle untergehn / und die Welt wird stille.“ Dann folgen im originalen Ge¬
dicht 7 Verse, die mit Absicht unpersönlich sind. „Ein süße Schauer“ eingangs
der letzten vier Verse ist Teil einer organisch zusammenhängenden impres¬
sionistisch-assoziativen Metapherreihe: „Regenbogen im Grase, Regenbogen
in den Zweigen, / Ein stummes Fest, nachmenschliche Stille, / ein süßer Schau¬
er, [...]“ usw. Das Nebeneinander vom Regenbogen, Fest, Stille, Schauer ist
dabei mit Absicht völlig unpersönlich, weil sie bereits alle menschenlosl[!] sind.
Dagegen lesen wir in Géza Engels Übertragung: „Welch süßer Schauer gibt
mir [!?] heut das Wunder kund“: Damit wurde der „süße Schauer“ mit dem
„Wunder“ der Vorahnung des Dichters in Zusammenhang gebracht, was im
Gedicht nicht der Fall ist. Schließlich mündete diese Freude in ein froh-glück¬
liches Bewundern der Naturharmonie mit einem vom Nachdichter ebenfalls
frei eingeschobenen und der originalen Elegie vollkommen fremden Ausruf: