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LÁSZLÓ TARNÓI: SCHNITTPUNKTE. STUDIEN ZUR GERMANISTIK UND HUNGAROLOGIE

den raschen Ausbau der Bibliothek usw. offenbar keinerlei Schwierigkeiten
bereiteten. Man liest in der Gründungsurkunde der Gesellschaft unter Para¬
graph 2: Sie ,,verfolgt den Zweck, durch Férderung des Ungarischen Instituts
[...] die kulturellen Beziehungen zwischen Deutschland und Ungarn zu pfle¬
gen.“*° Und man staunt dabei nicht nur über die materiellen ,Zuwendungen“,
die laut Paragraph 9 aufgebracht wurden und sich laut Paragraph 4 auf die
Finanzierung der Bibliothek, des Archivs, aller „vom Institut herauszugeben¬
den Veröffentlichungen sowie von Ungarischkursen und öffentlichen Vorträ¬
gen erstrecken.“ Man bewundert auch die freizügigen Rahmenbedingungen
der geistigen Atmosphäre: Im Interesse einer von verschiedenen tagespoliti¬
schen Aktualitäten ungestörten Forschung ist es nämlich gelungen, jedwede
direkte Abhängigkeit und politisch-weltanschauliche Intoleranz auszuschalten.
Unter Paragraph 2 der Gründungsurkunde wurde dementsprechend hinzu¬
gefügt: „Eine Betätigung auf politischem, privatwirtschaftlichem oder religiö¬
sem Gebiet ist ausgeschlossen.“ Dem widersprach auf keine Weise die gleich¬
zeitige planmäßige ausländische Verbreitung der mit dem umfassenden Begriff
„Ungarologie“ bezeichneten Kulturwerte Ungarns, die kontinuierlich und
konsequent den kulturpolitischen Interessen des Landes dienen sollte. Hierzu
wurde dem Direktor in seiner wissenschaftsorganisatorischen Tätigkeit unter
Paragraph 13 jede Freiheit eingeräumt.

Die Berliner Hungarologie und ihre Medien

Auch deswegen ist es von großer Bedeutung, welche praktischen und methodo¬
logischen Ansichten Gragger bei dieser wissenschaftsorganisatorischen Tätig¬
keit in den Berliner Jahren vertrat. Er setzte sich als Direktor des Ungarischen
Instituts — wie man heute sagen würde - für eine Art angewandte Hungarolo¬
gie ein. Innerhalb dieser Hungarologie hatte bei der möglichen Öffnung in alle
Richtungen (Geschichte, Volkskunde, Rechtswissenschaft, Volkswirtschaft
und Kunst sowie die im Laufe der Jahre in das Institutsprofil unter hungarolo¬
gischen Aspekten einbezogene Fennistik und Finnougristik) das Primat jeweils
die Sprach- und die Literaturwissenschaft. Wenn die sonstigen Gebiete genannt
werden, so geschah dies immer nur ,,neben“* und ,,nach“*’ diesen beiden Eck¬
pfeilern der Berliner Hungarologie. Zweitens sah er diese Angewandtheit da¬
rin, dass er für das „Hauptthema“ der hungarologischen Forschungen in Berlin
fortwährend die wissenschaftliche Erschließung der deutsch-ungarischen

® In: Das Ungarische Institut an der Universität Berlin. Hg. von der Gesellschaft der Freunde
des Ungarischen Instituts zu Berlin. 2. erw. Ausgabe. Berlin, 1922, 26 S. Darin: „Satzungen
der Gesellschaft ...“, S. 15-21.

% Ebd., ,Forschungstätigkeit", S. 3.

37 Ebd., ,Satzungen“, S. 15.

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