Das Institut und das Collegium Hungaricum erlangten unter der Leitung von
Gragger Jahr für Jahr eine rasch zunehmende Bedeutung. Bereits ab 1918 gab
es im Institut einen Lektor für ungarische Sprache. 1922 erweiterte er das
Institut um die finnisch-ugrische und die uralaltaische Abteilung und erreich¬
te, dass auch ein finnisches Lektorat eingerichtet wurde.
Gewiss waren die historischen Voraussetzungen für die Realisierung seiner
wissenschaftsorganisatorischen und hochschulpädagogischen Vorhaben im
Rahmen der zeitgenössischen staatlichen kulturpolitischen Ziele Deutschlands
und Ungarns besonders günstig. Gragger mag auch bei der Auswahl seiner
selbstlosen Mitarbeiter eine glückliche Hand bewiesen haben. Aber ohne ihn
selbst, ohne seine besondere so vielseitig veranlagte Persönlichkeit, sind die
tatsächlichen Ergebnisse der zehn Jahre in Berlin unvorstellbar.
Es ist kaum zu fassen, welche einzigartigen inneren Reserven er in diesen
Jahren für seine Arbeit mobilisierte. Der Aufbau des Instituts in Berlin bot
ihm günstige Möglichkeiten für die praktische Verwirklichung seiner seit eh
und je vertretenen Überzeugung, dass die internationale Erschließung der
Werte der nationalen Kulturen völkerverbindende Impulse freisetzen kann.
Es ging ihm dabei um die Eliminierung der sprachlichen Barrieren bei der
Verbreitung kultureller Werte. Diesen Zielen untergeordnet sah er in dem
Seminar, später in dem sich ständig vergrößernden Institut in Berlin eine
Kanzel, von der aus mittels der deutschen Sprache und der Erforschung der
deutsch-ungarischen literarischen Wechselbeziehungen die ungarische Kultur
über Deutschland in Europa Eingang finden sollte. Er war unablässig bestrebt,
Bedeutung und Wirkungsgrad dieser Kanzel zu erhöhen. Andererseits ver¬
suchte er durch die Gründung des ungarischen Kollegiums im Jahre 1924, den
künftigen ungarischen Intellektuellen das Tor nach Mitteleuropa, zur euro¬
päischen Bildung hin zu öffnen.
Man staunt heute über die großartigen Möglichkeiten sowie die großzügi¬
ge Unterstützung, die Gragger damals zur Realisierung seiner Ziele erhielt
bzw. erwirkte. Hier soll nicht auf die Erörterung der Proportion zwischen
subjektiver Leistung und objektiv gegebenen gesellschaftlichen und kultur¬
historischen Umständen eingegangen werden. Doch kann man sich bei der
Beschäftigung mit Graggers Werk der Bewunderung nicht erwehren, denkt
man an die Rahmenbedingungen, unter denen Gragger sich - unterstützt von
beiden Staaten und der Gesellschaft der Freunde des Ungarischen Instituts —
bewegen konnte, wo z. B. Kosten und Kapazitäten für die Herausgabe dieser
oder jener Publikation, für die Erweiterung dieses oder jenes Fachgebietes, für