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zum Erstaunen fruchtbar seyn, und das Jahr wider allen Unfall von Frost und Wetter
sicher gestellet würden. Man siehet daher auf manchen Dörfern ganze Gärten voll
dergleichen umgürteter Bäume.

Auch unsre Dorfsschönen haben eine große Menge alberner Vorurtheile, die sie alle
aus der sogenanten gestriegelten Rocken-Philosophie herausgehoben zu haben scheinen.
Ihre Mütter wißen ihnen bey iedem Schritt neue Belehrungen und Warnungen
mitzutheilen: Tochter! heißt es: Singe nicht über Tische; sonsten kriegest du einen
Wittwer zum Manne. Tochter! hüte dich aus einem Topf zu eßen; es möchte widrigenfals
auf deinen hochzeitlichen Ehrentag garstiges Wetter einfallen. u. s. w. Um voraus zu
wißen, welche unter ihren Gespielinnen künftiges Jahr heyrathen, und ob sie Hansen
oder Thomasen heyrathen werde? formirt die Gesellschaft in der Neujahrsnacht 3
lockre, aus Werg gerollte Kugeln; benahmet die eine Kugel z. B. Hanns, die zweyte
Thomas und die dritte nach dem Namen der Dorfsschöne. Alle drey Kugeln werden
zugleich angezündet, fortgeblasen, und nachdem sich der Nymphe Kugel zu H. od.[er]
Th. Kugel gesellet, glaubt auch die Gesellschaft, werde H. oder Thomas der Glückliche
seyn.

Ich übergehe ihre Thorheiten bey der um Faschings-Zeit vorzunehmen gewohnte
Einäscherungsart ihres Gespinstes, und die wechselseitige Anfragen der Nachbarinnen
und Gewatterinnen: habt ihr die Pfarrerinn gesehen? das heißt verdolmetschet: Ist euer
Garn hübsch weiß geworden? Aber eine der Gesundheit zumal des weiblichen
Geschlechtes, sehr nachtheilige Dorfssitte muß ich doch nicht unberührt laßen. Es
heißet nämlich der Osterdienstag auf dem Lande in der dasigen Sprache: der Gießtag.
Und nachdem sich das junge Volk weidlich begieße und durchnäße, sey auch das
Gedeihen des dießjährigen Lein- und Haufanbaues zu gewärtigen. Dieses dumme
Vorurtheil, unterstüzt von dem Muthwillen einer ganzen Dorfjugend, öfnet dann
beinahe in ieder Behausung die lebhaftesten Spektakels. Die jungen Amazonen schütten
auf die männlichen Streiter ganze Ströme von Waßer. Dafür kriegen Leztere die jungen
Dirnen per Empfang, und durchwäßern dieselben in den nächstgelegene Waßertrögen
oder Brunnenkumpen so unbarmherzig, daß zumal bey noch unfreundlicher Witterung,
eine zugezogne Frkältung mit darauf natürlich folgenden traurigen Symptomen, das
öftere Resultat eines so vernunftwidrigen Schäckerns ist.

Auch unsre Viehhirten sogar, bleiben ihren alten abergläubischen Vorurtheilen getreu.
Um vieles Geld würden sie ihre übernommene Heerden Stuttereyen u. dgl. im Frühjahre
auf keinen andern Tag in der Woche, als auf den Freytag zur Weide hinaustreiben
beginnen. Ja meinen sie, indes an einem ersten Freytag, welchen ein Fohlen, Kalb,
Schaaf oder Ziege erlebt, an derley jungen Thieren geschene Inzisium oder Blutlaßen,
sichre sie auf lebenslang wider das Bluterbeißen.

Kaum aber, scheint mirs, würde in dem geselligen Alltage-Leben mit irgend Etwas,
mehrerer abergläubische Unfug, als mit dem lieben Brod, getrieben. Die Weiber von
allen hierländischen Nationen, suchen ihren Teig für dem Anblick allerhand unbekanter,
oder auch zum Beschreyen geneigter Personen verborgen zu halten; und sie unterlaßen

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