Auch das kann festgelegt werden, dass allein der Verzicht auf die Gegenüber¬
stellung zu keiner Rechtsverletzung führen kann, da die Konfrontierung aus ra¬
tionalen Gründen, wie zum Beispiel aus dem Grund des Zeugenschutzes im Fall
der Anonymitát manchmal überhaupt nicht in Frage kommt.
Die hohe Anzahl der durchzuführenden Gegenüberstellung kann den
irrationalen Verzug des Verfahrens in der Praxis auf keinem Fall begründen, und
darf als kein Entlastungsumstand für die nationalen Behôrden in Hinsicht auf ihr
zôgerndes Verhalten in Acht genommen werden.
Schließendlich weisen einige Fälle darauf hin, dass es im Rahmen der Ge¬
genüberstellung nicht nur zur Verletzung der Rechte auf faires Verfahren und
auf wirksame Beschwerde bzw. zum Verstoß gegen den Grundsatz der Vertei¬
digung, sondern auch zur Anwendung von unmenschlicher und erniedrigender
Behandlung führen kann. Das Menschengericht muss gegen diese Rechtsver¬
letzungen besonders streng auftreten, damit es die Durchsetzung des folgen¬
den Gedankens fördern kann: Nicht nur die Wiedergutmachung, sondern auch
die Prävention der Rechtsverletzungen gehört zu den Aufgaben des Staates. Die
schriftlichen Rechtsquellen und die Rechtsprechungspraxis dürfen keine „ein¬
gebauten“ Rechtsverletzungen enthalten, die in allen europäischen Rechtsstaaten
Rechtsmittel bedürfen.
D) Aus der empirischen Forschung über die Gegenüberstellung sind zahlreiche
Schlussfolgerungen zu ziehen, von denen ich aber hier nur die wichtigsten
herausheben möchte.
Durchschnittlich gibt es in jeder zweiten Strafsache Gegenüberstellung, sie
kommt also oft vor, und kann als Rechtseinrichtung nicht außer Acht gelassen
werden. Ihre Effektivität ist aber seit Jahrzehnten bescheiden und stagnierend.
Über einen Erfolg (z.B. über die Klärung eines Widerspruchs) im Fall einer
Gegenüberstellung können wir ungefähr in jeder zehnten Strafsache sprechen.
Ein echter Gesinnungswechsel als Veränderung einer früheren Aussage liegt aber
nur bei einigen Prozenten.
Auch die Tatsache ist beachtenswert, dass die Teilnahme von Minderjährigen
sowie Familienmitgliedern an Gegenüberstellungen um 8-10 % liegt.
Aus den Protokollen des Ermittlungsverfahrens ist die alte Festlegungsart
in zwei Spalten - zum Glück — verschwunden. Vor dem Gericht werden die
Geschehnisse der Gegenüberstellung am einfachsten — meistens in einem Satz
schematisch - festgelegt.
Rechtsbehelfe im Bezug der Gegenüberstellung werden nur selten eingelegt,
darüber hinaus wurden sie in überwiegender Mehrheit abgewiesen.
Auch die Behauptung scheint begründet zu sein, dass der Ausfallder Gegenüber¬
stellung unter den Ursachen der Ergänzungserhebungen dank der Empfindlichkeit,