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LÁSZLÓ TARNÓI: SCHNITTPUNKTE. STUDIEN ZUR GERMANISTIK UND HUNGAROLOGIE

Schillers gespeichert. Sie bis zu den Wurzeln kennen zu lernen ist aller Anstren¬

gungen wert."

Sicher gibt es zwischen den Vertretern der deutschen jüngeren so genannten
volkstümlich-nationalen Romantik und den ungarischen Romantikern eine
ganze Reihe von intertextuellen Parallelen und dabei auch von direkten gene¬
tischen Beziehungen. Diese sind aber von wesentlich geringerer Bedeutung als
die zwischen der ungarischen Romantik und Friedrich Schiller. Merkwürdiger
Weise findet auch Kölcsey zu seinen Studien zum Thema Nationale Traditio¬
nen mehr an direkten Beziehungen zu Theorien des aufgeklarten Herder als
zu denen der Herausgeber der Wunderhorn-Bande, wobei die tendenztypo¬
logischen Parallelen zu den letzteren offensichtlich vorhanden waren.

Innerhalb der sieben Jahrzehnte langen Orientierung an den Ergebnissen
der deutschen Literatur der Goethezeit blieb in der so intensiven Rezeptions¬
geschichte der Ungarn auch die lautstarke deutsche Frühromantik ganz und
gar auf der Strecke. Zu den äußerst wenigen Ausnahmen gehören manche
typologischen Parallelen, so vor allem zwischen Novalis’ 1799 entstandener,
aber erst 1826 erschienener Programmschrift Die Christenheit oder Europa
und u. a. Ferenc Kölcseys Studien nach dem ersten sogenannten Reformland¬
tag (1825-1827).

Freilich wurde die deutsche Frühromantik auch unter den Lesern des zeit¬
genössischen deutschen Sprachraums kaum zur Kenntnis genommen. Die
Chancen für ihre Aufnahme in Ungarn waren notwendiger Weise noch gerin¬
ger. „Wer ist Novalis“ — fragte bereits Kazinczy und setzte hinzu, „mit Mysti¬
kern ... bin ich nicht Freund“”® und die „Aesthetiker der neuern Schule“
lehnte er 1805 mit den Worten ab: „Nur möchte ich wissen, was die Kunst bey
uns durch diese Schönschwätzern [!] gewinnt. Lessing, Winckelmann und
Göthe waren nicht Schönschwätzer und ich verstehe sie.“’?

Im Jahre 1830 entsetzte sich auch der siebzehnjährige Läszlö Szalay u. a.
über Novalis und die Brüder Schlegel in seinen Bemerkungen mit den Worten

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Bajza an Toldy. Szűcsi, den 13. 6. 1829. In: Bajza József és Toldy Ferenc levelezése [Briefwech¬
sel v. Bajza, József u. Toldy, Ferenc], Nr. 25, S. 463. (Übersetzung L. T.)

Siehe darüber ausführlicher Tarnói, Läszlö: Verfremdungsmotive in der ungarischen Roman¬
tik und ihre Beziehungen zur deutschen Poesie der Jahrhundertwende. In: Parallelen, Kon¬
takte, Kontraste, S. 213-217; Deutsche und ungarische Romantik. Probleme einer vergleichen¬
den Forschung. In: Impulse. Aufsätze, Quellen, Berichte zur deutschen Klassik und Romantik.
Berlin / Weimar: Aufbau-Verlag, 1981, S. 193-213. (= Impulse, Bd. 3)

Zitiert in: Lajos Nemedi: Über die Anfänge der Goethe-Rezeption in Ungarn 1776-1831. In:
Germanistisches Jahrbuch DDR-UVR, Budapest: Deutschlektorat beim Kultur- und Informa¬
tionszentrum der DDR, 1983, S. 117.

Zitiert in Istvän Fried: Goethe und Kazinczy. (Einige Fragen der Goethe-Rezeption). In: Re¬
zeption der deutschen Literatur in Ungarn 1800-1850. Erster Teil. Deutsche und ungarische
Dichter. Hg. v. Tarnöi, Läszlö: S. 55. (= Budapester Beiträge zur Germanistik, 1987, Bd. 17)

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