LÁSZLÓ TARNÓI: SCHNITTPUNKTE. STUDIEN ZUR GERMANISTIK UND HUNGAROLOGIE
überwinden können. Der Anfang um 1908 war bei allen dieser Dichter von
pessimistischen Angsten vor sozialer Isoliertheit, von Subjektivismus, totaler
Begrenztheit und unüberwindbarer Vereinsamung geprägt.
Der erste Band von Kosztolänyi trug bezeichnender Weise den Titel Zwi¬
schen vier Wänden, der erste Vers seines zweiten Bandes lautet roh übersetzt
„Wie einer, der zwischen die Schienen gefallen ...“, Endre Ady nannte sich 1909
(roh übersetzt:) „Nordkap, Geheimnis, Fremdheit ... ein irrlichtend ferner
Schein“ und Mihäly Babits setzte an das Ende seines ersten Bandes als Sum¬
mierung seiner frühen ‚ars poetica" ein Sonett mit den folgenden Versen:
Ich bin der Held in allen meinen Gesängen,
im Kerker meines eignen Ichs gefangen.
Ich môchte gern das All in Verse zwangen
und kann nicht über mich hinausgelangen.
Fast glaub ich schon, dass außer meinem engen
Ich nichts mehr sei. Voll Ekel muss ich bangen:
Wer wird mir wohl die harte Schale sprengen,
mit blindem Kern in einer Nuss gefangen?
Ich kann den Zauberkreis nicht überwinden.
Kann auch die Sehnsucht pfeilhaft ihm entfliehn,
wer weiß, ob ich mich nicht betrogen fände ...
Als eigner Kerker muss ich mich empfinden,
in dem Subjekt und auch Objekt ich bin,
Alpha und Omega, Beginn und Ende.
Immerhin enthalten aber diese und ähnliche Gedichte der modernen Lyriker
recht oft indirekte Hinweise auf einen möglichen Durchbruch, z. B. bei Ady
am Ende des von ihm oben zitierten Gedichtes in der stark ausgeprägten Sehn¬
sucht nach Verständnis und Aufnahme sowie in der latent artikulierten Er¬
wartung von intensiven Beziehungen zur Außenwelt, oder wie bei Babits in
der hohen Intensität der vermittelten Klage, in den Spannungen, die den „Ker¬
ker“ des Ichs bereits nahezu sprengen.
? Babits, Mihäly: Epilog des Lyrikers [A lirikus epilögja]. Übers. v. Annemarie Bostroem. In:
Ungarische Lyrik des zwanzigsten Jahrhunderts. Hg. vom Verband Ungarischer Schriftsteller
in Zusammenarbeit mit Paul Kärpäti. Berlin / Weimar: Aufbau-Verlag, 1987, S. 34. Auch die¬
ses v. Friederike Aust rezitierte Gedicht lag damals nur als Manuskript vor.