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LÁSZLÓ TARNÓI: SCHNITTPUNKTE. STUDIEN ZUR GERMANISTIK UND HUNGAROLOGIE

So wälz ich ohne Unterlaß

Wie Sankt Diogenes mein Faß.
Bald ist es Ernst, bald ist es Spaß;
Bald ist es Lieb, bald ist es Haß;
Bald ist es dies, bald ist es das;
Es ist ein Nichts und ist ein Was.
So wälz ich ohne Unterlaß

Wie Sankt Diogenes mein Faß.°®

Dadurch blieb aber auch nichts mehr übrig, als mit der Weisheit des Diogenes
alles Unumgängliche mit stoischer Gelassenheit, dem Schicksal ergeben, auf
sich zu nehmen. Außer den Gegensatzpaaren bot auch das einleitende und am
Ende des Gedichtes wiederholte groteske Bild im Vergleich mit früheren ent¬
schiedenen Stellungnahmen für jedes „genialische Treiben“ nachweisbare
Ansätze zu einer überzeugenden Distanzierung.

Ebenso begann das für diesen Zeitraum so charakteristische Gedicht Dem
Schicksal (die erste, weniger bekannte Fassung des Gedichtes vom 3. August
1776) mit dem Ausdruck unerklärbarer Empfindungen für und wider die bis¬
lang unbekannte Welt, wie er, der Stürmer und Dränger, sie im Weimarer Hof
seit neun Monaten in ihrer eingeschränkten „Enge“ bzw. unbedeutenden
„Kleinheit“ erlebte:

Was weiß ich, was mir hier gefällt,
In dieser engen, kleinen Welt
Mit leisem Zauberband mich hält!”

Trotzdem wurde aber allem großes und reges Interesse entgegengebracht, was
nur die von nun an von neuen Seiten kennenzulernende Wirklichkeit bzw. das
vorerst noch fremde, wie es im Gedicht hieß, „seltsame“ und „tiefe“ Schicksal
bieten konnte. Diese Stellungnahme führte zu den (in der späteren Fassung
für die erste Werkausgabe unter dem Titel Einschränkung®” gestrichenen)
Versen, in denen ursprünglich das personifizierte Schicksal, das nach dem
Dichter alles Individuelle zu bestimmen vermochte, mit Worten einer pane¬
gyrischen Begeisterung angesprochen wurde. Gleichzeitig erhielten frühere
Sturm-und-Drang-Attitüden mit den Worten „Ungeduld und glaubenleer
Gewühl“ ausdrücklich negative Prädikate:

38 Ebd., S. 474.

3° Goethe, Berliner Ausgabe, Bd. 2, S. 571.

40 Diese stark umgearbeitete Fassung erschien 1789. Siehe in: Goethe, Berliner Ausgabe, Bd. 1,
S.71.

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