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LÁSZLÓ TARNÓI: SCHNITTPUNKTE. STUDIEN ZUR GERMANISTIK UND HUNGAROLOGIE

Ha, ich bin der Herr der Welt! mich lieben
Die Edlen, die mir dienen.

Ha, ich bin der Herr der Welt! ich liebe
Die Edlen, denen ich gebiete.

Ihnen wurden jedoch plötzlich durch eine epigrammatische Wendung im Ge¬
dicht die neu entstandenen Normen entgegengesetzt, nach denen schließlich
das neue Bedürfnis nach Mäßigung - in diesem Fall sogar Demut - seinen
Ausdruck fand:

O gib mir, Gott im Himmel! dass ich mich
Der Hoh und Lieb nicht überhebe.°!

Noch prägnanter fiel die epigrammatisch pointierte Antithese in Mut?” aus.
Sein ursprünglicher Titel, Eis-Lebens-Lied wies noch sehr deutlich daraufhin,
dass das Gedicht eigentlich die unmittelbarsten Erlebnisse der Freuden eines
Schlittschuhlaufens vom Winter 1775/1776 poetisch verallgemeinerte und sie
mit dem vor und bis zu den Weimarer Anfängen typischen Lebensgefühl des
Dichters verband. Im Gedicht war schon der erste Vers („Sorglos über die
Fläche weg“) diesem Lebensgefühl verpflichtet, wobei darin teils auch indi¬
rekte logische Beziehungen zum Gedankeninhalt der bereits unter veränderten
Aspekten und sehr wahrscheinlich erst etwas später entstandenen Sorge fest¬
gestellt werden können. Diese charakteristische Einstellung zum Leben wur¬
de anschließend noch weiter gesteigert und mit dem Ausruf am Strophenende,
„Mache dir selber die Bahn!“ zu einem Höhepunkt geführt, der in jeder Hinsicht
der früheren titanischen Lebenserwartung entsprach. Nun erfolgte aber die
plötzliche epigrammatische Wendung mit der eigentlich alles Vorangehende
auf einmal zurückgenommen wurde. Stimmung und Aussage der folgenden
Verse, „Stille, Liebchen, mein Herz! / Kracht’s gleich, bricht’s doch nicht!“,
widersprachen eindeutig der („göttergleichen“) Selbstbehauptung des Sturm¬
und-Drang-Genies. Daran änderte auch der Schluss des Gedichtes nicht, der
letzten Endes durch den formalen Zusammenhang mit den vorangehenden
Versen in eine sprachlich verspielte Liebeserklärung auslief: „Bricht’s gleich,
bricht’s nicht mit dir!“

Die epigrammatisch pointierte Antithese diente recht oft durch die Rela¬
tivierung des Standpunktes des Dichters dem poetischen Ausdruck der für
diese Übergangszeit typischen Unschlüssigkeit in der jeweiligen Stellungnah¬
me. Das lässt sich besonders deutlich im Hypochonder nachempfinden, einem

3! Goethe, Berliner Ausgabe, Bd. 1, S. 333.
32 Ebd., S. 47. u. 789.

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