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KOSMISCHE METAPHERN IN DER DEUTSCHEN BAROCKLYRIK

Hofmannswaldau die beklemmende Last der disharmonischen Empfindungen
zum Teil mit der artistischen Verspieltheit seines sprachlichen Ausdrucks,*®
zum Teil mit dem bewussten Einsatz des thematischen Kontrapunktes? in
seiner Poesie zu dämpfen bzw. aufzuheben verstand:

Christian Hofmann von Hofmannswaldau: Die Welt

Was ist die Welt / und ihr berühmtes gläntzen?
Was ist die Welt und ihre gantze Pracht?

Ein schnöder Schein in kurtzgefasten Gräntzen /
Ein schneller Blitz bey schwartzgewölckter Nacht.
Ein buntes Feld / daKummerdisteln grünen;

Ein schön Spital / so voller Kranckheit steckt.

Ein Sclavenhauß / da alle Menschen dienen /

Ein faules Grab / so Alabaster deckt.

Das ist der Grund / darauff wir Menschen bauen /
Und was das Fleisch für einen Abgott hält.

Komm Seele / komm / und lerne weiter schauen /
Als sich erstreckt der Zirckel dieser Welt

Streich ab von dir derselben kurtzes Prangen /
Halt ihre Lust vor eine schwere Last.

So wirstu leicht in diesen Port gelangen /

Da Ewigkeit und Schönheit sich umbfast.

KOSMISCHE METAPHERN DER „BESTÄNDIGEN UNBESTÄNDIGKEIT“

Gewiss gibt es echte Poesie ohne persönliche Erlebnisse nicht. Man erlebte
aber im 17. Jahrhundert eine Zeit, in der z. B. Grimmelshausen für die ehe¬
maligen Renaissance-Hoffnungen auf ein menschenwürdiges Leben ohne Krieg,
im ewigen Frieden und in einem einheitlichen Deutschland’! ja sogar bei
Vereinigung aller christlichen Religionen?” nur einen geisteskranken Menschen
(den wahnsinnigen „Jupiter“) authentisch argumentieren ließ! Das bewegte
Leben jener Jahrzehnte verhieß für diesen Verfasser — nicht anders, als auch
für die meisten zeitgenössischen deutschen Dichter - keinerlei Entwicklungen
in die Richtung geordneter Verhältnisse der menschlichen Beziehungen wie

4° Siehe im unten zitierten Gedicht u. a. das Wortspiel innerhalb der Antithese „Lust“ - „Last“.

0 Siehe ebd., den „thematischen Kontrapunkt“ außerhalb des „Zirckel[s] dieser Welt“ mit den
zeit- und raumlosen Werten der „Ewigkeit“ und der „Schönheit“. (Verse 11-16)

5 Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Der abenteuerliche Simplicissimus. Buch 3,
Kapitel 4.

52 Ebd., Kap. 5.

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