VII. DEUTSCHSPRACHIGE SCHAUSPIELKUNST UND DRAMATIK IM ALTEN PEST-OFEN
1792 und 1803 in zwei Auflagen. Um die Bedeutung dieser historischen
Dramen nachempfinden zu lassen, sei an dieser Stelle wenigstens kurz darauf
hingewiesen werden, dass von Girzicks Drama ein direkter genetischer
Weg zum ersten repräsentativen ungarischen Nationaldrama des Jözsef
Katona, zum Ban Bank von 1815 führte‘ und dass die in Preßburg, Ofen
und Pest aufgeführte deutsche Tragödie von Simon Peter Weber über Läszlö
Hunyadi einer der dramatischen Vorläufer der ein halbes Jahrhundert später
in Pest bereits ungarisch aufgeführten Nationaloper von Ferenc Erkel war.
Die deutsch-ungarischen Kontakte waren dabei wechselseitig: Der 1792 zur
Königskrönung von Franz I. ungarisch verfasste Matthias-Drama vom zwei
Jahre später verhafteten und 1795 im Gefängnis gestorbenen Läszlö Szentjöbi
Szabö wurde noch im Erscheinungsjahr des ungarischen Originals unter dem
Titel Matthias Corvinus oder Volksliebe ist edler Fürsten Lohn ins Deutsche
übersetzt und beeinflusste wiederum die Dramatik Girzicks.”
Handlung, Aussage und dramatische Helden dieser Bühnenwerke mit histo¬
rischer Ungarnthematik waren jeweils der „guten Sache“ rechtschaffener Ungarn
verpflichtet. Dass sich damit auch die Zuschauer zwangsläufig identifizierten,
dafür sorgte die klassizistische Dramatik. So haben die Pest-Ofener Bürger um
1800 die Interessengemeinschaft der jeweiligen Helden und des Volkes sowohl
in den Schlussszenen der Hunyadi-Tragödie, als der moralische bzw. historische
Sieg mit läuternder Publikumswirkung verheißen wurde, wie auch in den letzen
Worten des christlichen Königs im Stephandrama miterlebt:
Allmächtiger, wie reich machst du mich auf einmal! wie viel Herzen werden
mein Eigenthum! fürwahr der größte Reichtum der Könige sind die Herzen ihrer
Unterthanen! — und wenn du, Ewiger! deiner Himmel unter deinen Auserwählten
gründest, so laß mein Reich stets den würdigen Gegenstand deines Blicks seyn,
und jubelnd soll dir Dank und Lob empor flammen. Segne mein Schwerdt (zieht es)
wenn sich Feinde deiner Kinder und ihrer Rechte erheben, mit deiner Gnade
ausgerüstet fürcht ich sie nicht; und wenn sie von allen 4 Winden der Welt auf
mich herstürmen, so sey ihnen in deinem heiligen Namen Fehde geboten! (Macht
durch die Luft 4 Kreutzhiebe)
Girzik, [Franz] Xavier: Stephann [sic!] der erste König der Hungarn. Ein Schauspiel in
sechs Aufzügen von [F.] X. G., Mitglied der hochgräflichen Unwerth’schen deutschen
Operngesellschaft in Ofen und Pest. Pest: Druck Johann Michael Landerer, 1792 [2. Aufl.
1803], 184 S. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 2, S. 115-247.
Girzicks Stephandrama wurde 1813, d. h. zwei Jahrzehnte nach dessen Erstveröffentlichung
von Jözsef Katona ungarisch umgearbeitet. Katonas Umgang mit Girzicks Drama gilt als
wichtigste dramaturgische Vorübung für sein später klassisch gewordenes Bänkdrama.
Siehe hierzu u. a. die aufschlussreichen komparatistischen bzw. rezeptionshistorischen
Textvergleiche in: Farkasné Riskö, Zsöfia: Das Stephan-Drama des Franz Xavier Girzick.
Budapest: Germanistisches Institut der Eötvös-Loränd-Universität, 2008, 37 S. [= unv. MA¬
Diplomarbeit]
Siehe Pukánszky, A magyarországi német irodalom története, S. 444.