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IV. ELEGIE AN MEIN VATERLAND...

und der Ihematik mit den unzáhligen magyarischen Geschichtsbildern
und historischen Visionen angesprochen gefühlt, obwohl sie andernfalls
den dominanten Ideen des Gedichtes wie Vaterlandsliebe, patriotische
Gesinnung bzw. nationales Engagement gerade um und nach 1807 (sozusagen
am Vorabend der deutschen Befreiungskriege) Jahr für Jahr eine zunehmende
Bedeutung beigemessen haben.

Allerdings war dieses Mal unter ,,Vaterland“ — zwar deutsch geschrieben —
nicht Deutschland und/oder Osterreich, sondern Ungarn zu verstehen und
auch das Possessivpronomen ,,mein“ im Titel bezog sich auf einen Verfasser’,
der — wie die überwiegende Mehrheit der deutschsprachigen Schriftsteller
Ungarns? - nicht nur diesseits der Leitha geboren wurde, sondern sich auch
für einen echten Ungarn hielt, welcher Muttersprache er auch sein mochte,
wie er dies (stolz auf die bereits erzielten Ergebnisse im kulturellen Leben
seines Landes) in der sechzehnten Anmerkung zu seinem Gedicht mit
folgenden Worten deutlich machte:

Parallelen, die wir gegenwärtig in Rücksicht der Geistescultur zwischen Völkern
ziehen, [...] zeigen, ob dieses Volk oder jenes, früher oder später zu einiger
Vollkommenheit gelangte. [...] Auch Ungarn wird dieses Ziel erreichen. Ziehe
man es zur Vergleichung, und ich darf mich nicht schämen, dass ich dieser Nation
angehöre [!]. Dünkt manchen der jetzige Grad unserer Geistescultur so unbedeutend,
[...] so fordere ich ihn auf mir eine Nation zu zeigen, welche [...] so oft von Barbaren
überschwemmt, von innern Unruhen zerrüttet, durch äussere Kriege entkräftet,
durch unseelige andere Verhältnisse gehindert, in so kurzer Zeit, seitdem sie in

Ruhe lebt, sich dahin empor geschwungen hätte, wo Ungarn steht!?

Die Verfasserschaft von C. A. v. Gruber unterstützen folgende Argumente:

1. Unter den deutschsprachigen Dichtern des Königreichs Ungarns sind die oft langen
Anmerkungen zu den einzelnen Versen des jeweiligen Gedichtes nur für die poetischen
Werke von C. A. v. Gruber charakteristisch. Vgl. dazu neben der anonym veröffentlichten
„Elegie“ den „Hymnus an Pannonia“ (Kap. IIl/3) und den Auszug aus dem „Hymnus an
Pallas Athene“ in: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 1, S. 117-119.

2. Die Partien der individuellen Würdigung der kulturhistorischen Leistungen des
ungarischen Königs Matthias Corvinus (1458-1490) mit Parallelen zur Aufklärung stimmen
in den Versen und Anmerkungen des „Hymnus an Pannonia“ und der „Elegie“ überein.

3. Von den lexikalen Textbeziehungen berufe ich mich auf das aus dem Altgriechischen
entlehnte und mit deutscher Pluralendung verwendete seltene Fremdwort „Äonen“
[= Epochen]. Es wurde in der „Elegie“ zweimal, in dem 1804 erschienenen „Hymnus an
Pannonia“ viermal verwendet, wobei es im ungarndeutschen Lyrikband „Deutschsprachige
Texte aus Ungarn“, Bd. | auf 387 Druckseiten bei keinem anderen Dichter belegt werden
konnte.

Weiteretheoretische Überlegungen zu Fragen der nationalen Identität der deutschsprachigen
Dichter im Königreich siehe vor allem in den Kapiteln 1/6, IIL, V/1-3, zu deren typologischen
Sonderfällen im Kap. V/4 und zu deren divergierenden Entwicklungstendenzen im zweiten
Viertel des 19. Jahrhunderts im Kap. VI/2-4.

Elegie an mein Vaterland, Fußnote Nr. 16 des Dichters, S. 24. In: Deutschsprachige Texte aus
Ungarn, Bd. 1, S. 145. (Hervorhebung L. T.)

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