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III. DIE DICHTUNG DER DEUTSCHSPRACHIGEN UNGARN UM 1800

Das Naturbild ist aber selbstverstándlich nicht immer Ziel, oft nur Mittel der
Darstellung oder auch beides, wenn z. B. manche Gedanken an die ausführliche
poetische Darstellung einer Wassermelone gekniipft werden. Aber auch ein
lustig witziges Gedicht wie Röslers Lob der Melone,‘? das sich der Gattung
nach an der Grenze zwischen Lehrgedicht und parodierter Ode bewegt, ist
nicht frei von Beziehungen zu Ungarn, bedenkt man, dass die Wassermelone
auch in zeitgenössischen Reisebeschreibungen von Ungarn bereits um 1800
neben den Weintrauben die köstlichste Obstart in Ungarn zu sein schien, mit
der damals schon echtes ungarisches Lokalkolorit vermittelt werden konnte,
besonders wenn man das Land in einem heißen Augustmonat besuchte.*®
Natürlich wird in dieser Beziehung alles andere von den ungarndeutschen
Wein- und Trinkliedern überragt. Dass gerade in diesen Gedichten die patrio¬
tischen Gefühle überschwänglich übertrieben werden, hängt freilich mit
gattungsspezifischen Eigenheiten zusammen. In die typischen Trinklied¬
Antonyme von heiter ausgelassener Lebensfreude und trübseligen Vergänglich¬
keitsahnungen mischen sich im Trinklied für ungrische Freunde lautstarke
patriotische Bekenntnisse und Empfindungen. Dabei steigert sich das ungarn¬
deutsche Engagement im Ton sogar bis zur überheblichen Verachtung der
Deutschen, wenn um die Mitte des Gedichtes die folgenden Verse erklingen:

Trinkt, ihr Brüder!

Gönnt dem Deutschen Bier und Cyder;
Ist doch solche Künsteley

Nichts denn kahle Sudeley.

Nüchtern sind bey aller Menge

Ihre schönen Zechgesänge,

Nüchtern sind sie selbst dabey.

Hier, Teutonen,

Dürfte sich’s der Mühe lohnen,
Dichter Vossen gleich zu seyn
Hier bey Ungarns Götterwein;
Denn mit euren Rheingetränken,
Und mit eurem Mosler schwenken
Wir nur unsre Krüge rein.?”

8 Rösler, Christoph: Lob der Melone. Ebd., S. 137-140, 243 ff.

®* Siehe die vielfach wiederholte Anerkennung der ungarischen Melone in dem Reisebericht
von Ernst Moritz Arndt in der zweiten Augusthälfte 1798 unter dem Titel „Erinnerungen
an Ungern. Ein kleines Anhängsel“. In: Reisen durch einen Theil Teutschlands, Ungarns,
Italiens und Frankreichs in den Jahren 1798 u. 1799. 1. Theil. 2. verb. u. vermehrte Aufl.,
Leipzig: Heinrich Gräff, 1804, S. 280, 286, 293, 307, 330 f, 334. In: Deutschsprachige Texte
aus Ungarn, Bd. 3, S. 229-271.

# [R**]: Trinklied für ungrische Freunde mit beigefügten Noten von Herrn P. Klein. [3. u. 4.
Strophe] In: Musenalmanach von und für Ungarn auf das Jahr 1801, S. 51-54. Deutsch¬
sprachige Texte, Bd. 1, S. 224.

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