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5. DIE VERMITTLUNG DIVERSER WERTVORSTELLUNGEN AUS DEUTSCHLAND NACH UNGARN

Rumy, Bredetzky) bzw. ihrer beruflichen Aufenthalte u. a. in Wien (z. B.
Gruber) auch auf persönliche Kontakte zu manchen geistigen Reprásentanten
der Deutschen berufen konnten.

Den deutschen Vorbildern zu folgen galt um jene Zeit nicht nur laut
des Ungarn Ferenc Kazinczy, sondern auch laut seiner deutschsprachigen
Zeitgenossen aus Ungarn, wie u. a. Karl Georg Rumy und Christoph Rösler
als eine ausgesprochen patriotische Angelegenheit. In diesem Sinne würdigte
Rumy im Neuen Teutschen Merkur das beispielhafte poetische „Wetteifern“
seiner deutschen und ungarischen Landsleute”! und munterte sie auch Rôsler
im Interesse der „Nation“ bzw. des „Vaterlandes“ „zur höheren Ausbildung
ihres Genie’s“ auf.”

Unter diesem Aspekt sei an dieser Stelle auch der Röslerschen Poeten¬
Charakteristik gedacht. Darin fasste Rösler für seine Pester Almanachleser
von 1804 auf eine heute noch beeindruckende Weise in wenigen Worten die
Werte der Poesie von sechzig deutschen Dichtern zusammen - jeweils mit
zusätzlichen Quellenangaben - in der Absicht, dass die poetisch begabten
Landsleute an diesen ihr Beispiel nehmen.”*

Wie effektiv der deutsch-ungarische Kulturtransfer damals in beiden
Richtungen funktionierte, belegt, dass noch im selben Kalenderjahr [!] Karl
August Böttiger einen Teil von den deutschen Dichter-Charakteristiken aus
Pest in Wielands Neuem Teutschem Merkur in Weimar herausgab.”*

Und tatsächlich folgten die Dichter aus Ungarn gerne den Vorgaben aus
Deutschland — gewiss auch ohne Röslers Liste. Man begegnet ja in den
deutschen Almanachen, Zeitschriften und Anthologien des Königreichs nicht
nur einem lyrischen Angebot in der Art der deutschen Elite, sondern auch

[Rumy, Karl Georg]: Fortgesetzte Nachrichten iiber Ungarns neueste Literatur und Kultur.
In: Der Neue Teutsche Merkur. Weimar: 1803, Bd. 1, H. 3, S. 215. Siehe Kap. XI/5. Die vielen
anonymen Korrespondenznachrichten des „Neuen Teutschen Merkurs“ aus dem Königreich
Ungarn wurden in den Jahren 1802-1808 von mehreren Autoren verfasst, die meisten von
Karl Georg Rumy. Bei der diesbezüglichen Orientierung dürften die Angaben des NTM¬
Repertoriums von Th. C. Starnes maßgebend sein: Starnes, Thomas C.: Der Teutsche
Merkur. Ein Repertorium. Sigmaringen: Jan Thorbecke Verlag, 1994, 694 S.

Rösler, Christoph: Vorrede. In: Musenalmanach von und für Ungarn auf das Jahr 1801.
Preßburg: Schauffischer Verlag, 1800, S. 2. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 1.5.
334. Siehe auch Kap. V/2.

Rösler, Christoph: Charakteristisches Verzeichniß einiger vorzüglicher teutscher
Dichterwerke. In: Rösler, Ch. (Hg.): Musen-Almanach von und für Ungern auf das Jahr 1804.
Pest: Verlag bei Konrad Adolph Hartleben, 1804, S. 159-190. In: Deutschsprachige Texte aus
Ungarn, Bd. 3, S. 104-111.

24 Im Juliheft des Neuen Teutschen Merkurs (1804, Bd. 3, H. 7, S. 201-204.) wurden von den
Röslerschen „Charakteristiken“ die von Gleim, Goethe, Herder, Klopstock, Kosegarten,
Lessing, Matthisson, Schiller, Thümmel, Voss und Wieland jeweils mit dem entsprechenden
Quellennachweis nachgedruckt.