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3. DIE DEUTSCHSPRACHIGE BEVÖLKERUNG DES KÖNIGREICHS

3. DIE DEUTSCHSPRACHIGE BEVÖLKERUNG DES KÖNIGREICHS

Am Ende des 18. Jahrhunderts betrug ihre Zahl in den damaligen Vielvölker¬
staaten Ungarn und Siebenbürgen mehr als eine Million.'' Etwa die Hälfte
von ihnen bildete um 1800 nach den zeitgenössischen Statistiken von Martin
Schwartner den Grundstock des Bürgertums der freien königlichen Städte.'?

Der überwiegend größte Teil der deutschen Umsiedler fühlte sich nach den
Türkenkriegen vom demographischen Vakuum im Mittelungarn angezogen.
So verließen kontinuierlich viele Tausende deutsche Bürger und Bauern
vom ausgehenden 17. Jahrhundert bis zur Zeit der Befreiungskriege gegen
Napoleon ihre alte Heimat in Süddeutschland und in den österreichischen
Erbprovinzen, um eine neue, eine zweite Heimat u. a. in Pest, Ofen, Szeged,
Stuhlweißenburg, Raab, Komorn, Fünfkirchen, Temeschwar sowie in den
umliegenden Landteilen zu finden. Die Übersiedlung von Intellektuellen,
Wissenschaftlern und Künstlern nach Ofen und Pest wurde in den achtziger
Jahren von der Josephinischen Administration zusätzlich in besonderem
Maße gefördert.

Viele deutsche Bürger lebten aber auch in den schon immer türkenfreien
oberungarischen und siebenbürgischen Städten. Ihre Einwanderung in das
ungarische Königreich wurde bereits von den ungarischen Königen des
Hochmnittelalters größtenteils um 1200 gefördert. Die Besonderheit der
Identität der Letzteren war seit dem Jahrhundert der Reformation vor allem
durch ihren evangelischen Glauben geprägt. Auch dies trennte sie von den
größtenteils katholischen Neusiedlern. Somit waren ihre kontinuierlichen
Kontakte zu den deutschen Universitätsstädten im protestantischen Norden
stets lebendig (während der Goethezeit zu Göttingen und Jena, davor zu
Wittenberg und Halle, danach vor allem zu Berlin).

Hu Gleichzeitig lebten in demselben geographischen Raum etwa 3,5 Millionen Magyaren und
auch die anderen größeren Nationalitäten (in zunehmender Reihenfolge: Ruthenen, Serben,
Kroaten, Slowaken und Rumänen) bereicherten seine Einwohnerzahl jeweils nur um 0,3-1,5
Millionen. In: Ács, Zoltán: Nemzetiségek a történelmi Magyarországon [Nationalitäten im
historischen Ungarn]. Budapest: Kossuth, 1984, S. 178 f. Siehe dazu auch Wellmann, Imre:
Magyarország népességének fejlődése a 18. században [Die Entwicklung der Bevölkerung
Ungarns im 18. Jahrhundert]. In: Magyarorszäg törtenete [Ungarns Geschichte]. 1686¬
1790. Budapest: Akademiai Kiadö [Akademischer Verlag], 1989, S. 26-80. (= Magyarorszag
törtenete, 4/1.) (Siehe ebd. die Tabellen, S. 70 f).

12 Außer wenigen Ausnahmen, wie z. B. Miskolc und Debrecen, waren die meisten Städte des
Landes dementsprechend größtenteils deutschsprachig.

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