Die literarische bzw. kulturelle Kommunikation im Königreich erlangte
dabei von den mittachtziger Jahren des 18. Jahrhunderts für Jahrzehnte ein
viel größeres Ausmaß und Gewicht in deutscher Sprache als in ungarischer.
Gewiss wurde dies auch mit einer Reihe von Josephinischen Verordnungen
von 1784 (so u. a. mit dem Sprachgesetz, mit der Pressefreiheit und zum Teil
auch mit der Begründung des Lehrstuhls für deutsche Sprache und Literatur
an der Universität in Pest) unterstützt. Entscheidend war aber nicht dies.
Die Pressefreiheit z. B. galt ja bis zu ihrem Ende, bis 1794, nicht nur für
deutsche, sondern auch für ungarische Drucke, und die wenigen Leser von
ungarischen Texten wurden dabei vor wie auch nach 1794 gewiss auf keine
Weise diskriminiert.
Die Tatsache aber, dass die Freimaurer-Geheimtuerei von und um Ignäc
Martinovics im Herbst 1794, im weltpolitisch höchst ungünstigen Zeitpunkt,
unmittelbar nach dem Ende der Schreckenszeit in Paris, aufflog, war freilich
für das damals erst angehende kulturelle Leben in ungarischer Sprache von
verheerender Wirkung.”
Ein literarisches Leben gibt es freilich nur mit Autoren und Lesern. In
den urbanen Regionen des Königreichs — und vor allem in dessen Zentrum —
mangelte es in ungarischer Sprache nach 1794/95 an beiden.
Hätte es allerdings interessierte ungarische Leser gegeben, so würde
es freilich alsbald auch an ungarischen Drucken und Autoren nicht mehr
gefehlt haben. Das Leserinteresse allein kann ja vor allem mit zwingender
Notwendigkeit und auf wirksame Weise das literarische Angebot von Autoren
fördern. Denüberwiegend größten Teilderlesekundigen und leseinteressierten
Bevölkerung Ungarns bildeten aber um 1794/1795 diebis zum ausgehenden 18.
Jahrhundert in den Städten des Königreichs angesiedelten deutschen Bürger.
Hinzu kamen auch eingewanderte Juden, die — wie Péter Varga nachwies — im
Assimilationsprozess in Ungarn, der neuen Heimat, von ihrer urspriinglichen
jiddischen Sprache bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts ins Deutsche
wechselten und dieses erst nach der Niederlage der Befreiungskriege von
1848-49 — ich setze hinzu gemeinsam mit den ungarndeutschen Mitbiirgern
— allmáhlich auf das Ungarische." Schließlich war aber vor und nach 1800
auch ein erheblicher Teil des ungarischen Adels selbst deutschsprachig, wie
dariiber u. a. der authentische Augenzeuge, Ernst Moritz Arndt, schon bei
den ersten Unterbrechungen seiner viertägigen Donauschifffahrt von Wien
nach Pest im August 1798 berichtete: „Die meisten Ungern sprechen teutsch