2. FORSCHUNGSMETHODEN UND -ZIELE
als er uns vorliegt." Noch weniger bekannt ist freilich die seinerzeit besonders
erfolgreiche deutsche Tragödienvariante über die Hunyadische Familie
vom Preßburger Simon Weber aus dem Jahre 1792.’ Die kulturhistorische
Bedeutung dieser zwei deutschungarischen Dramen unterstreichen freilich
auch ihre direkten bzw. indirekten thematischen sowie gehaltstypologischen
Beziehungen zur Entstehungsgeschichte der beiden bis heute bekanntesten
und wirksamsten Nationalopern Ungarns.
2. FORSCHUNGSMETHODEN UND -ZIELE
Der an sich interkulturelle Charakter solcher deutschsprachigen Texte aus
Ungarn bedarf selbstverständlich des multidisziplinären Umgangs mit diesem
Forschungsgegenstand, um dadurch im deutsch-ungarischen Kulturkontext
schließlich zu ungeteilten interdisziplinären Schlüssen kommen zu können.
Dem spezifischen Charakter der komplexen 'Ihematik wird man dabei nur
dann gerecht, wenn die heute immer noch aktuelle kulturhistorische Fakten¬
und Texterschließung methodologisch fortwährend von komparatistischen
und literatursoziologischen Erwägungen der jeweiligen Befunde begleitet wird.
Unter komparatistischen Untersuchungen versteht sich dieses Mal
der konsequente Vergleich der deutschungarischen Texte mit den zeit¬
genössischen deutschen und ungarischen, um einerseits ihre direkten
genetischen Beziehungen andererseits ihre zeit- und/oder tendenzbedingten
typologischen Zusammenhänge - so weit wie möglich — nachzuweisen. Mit
der literatursoziologischen Sicht sollen dagegen die Leser- und Autoren¬
beziehungen anhand der Textsorten ermessen werden - und zwar jeweils mit
besonderer Rücksicht auf das lebendige Rezeptionsgefüge der Texte, auf deren
in- und ausländische Ausstrahlung sowie aber auch auf ihre soziologische
Auffächerung im einheimischen Literaturbetrieb. Allein dadurch gelangt
man nämlich zu differenzierten Kenntnissen über die zeitweilig hohe
Intensität des deutschsprachigen literarischen Lebens in Ungarn und gewinnt
man u. a. auch manche wichtigen Informationen über die Beteiligung der
deutschungarischen Literatur an dem seinerzeit beeindruckend positiven
Ungarnbild im zeitgenössischen Ausland.
° J. Katona hat das deutsche Stephandrama v. F. X. Girzick 1813 ungarisch umgearbeitet.
Der dramaturgische Umgang mit einem so wichtigen Thema aus der ungarischen Geschichte
bereitete unmittelbar die erste Fassung des klassischen ungarischen Nationaldramas, des
Banus Bank von 1815 vor.
Weber, Simon Peter: Die Hunyadische Familie oder auch Unschuld schiitzt nicht immer
vor Kabale. Eine wahre Geschichte, welche im Jahre 1457, den 16. Marz in Ofen zugetragen.
In Gestalt eines Trauerspiels von fünf Aufzügen. Preßburg, gedruckt und verlegt vom
Verfasser, 1792. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 2, S. 19-114.