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I. DEUTSCHSPRACHIGE ÁUTOREN UND TEXTE IM KÖNIGREICH UNGARN...

gelten. In umfassenderen und anspruchsvolleren Werken, hat man zwar hie
und da, wenn es nicht mehr zu vermeiden war, das eine Auge zugedriickt,
und den einen oder anderen von den vielen deutschsprachigen Autoren des
Königreichs beim Namen genannt - diesen freilich als Schedius Lajos bzw.
als Rumy Käroly György jeweils ungarisch —- und dann auch meistens ohne
ein Wort über ihre Deutschsprachigkeit verloren zu haben.

Mit anderen Worten wurden also unsere deutschsprachigen Autoren aus
der Hungarologie wegen ihrer Sprache ausgeschlossen, die deutsche Sprache
allein reichte aber auch nicht aus, von der Germanistik der deutschsprachigen
Länder gebührender Weise beachtet werden zu können.

So wurden die Texte des deutschen Ungarn seit der Zeit ihrer Entstehung
(vor etwa 150 bis 250 Jahren) bis zum ausgehenden 20. Jahrhundert ¬
abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen — auch nie wieder gedruckt,
nie wieder gelesen, nie wieder auf der Bühne erlebt, geschweige denn ins
Ungarische übersetzt. Folglich gerieten sie selbstverständlich trotz ihrer
einst äußerst starken Wirkung auf die Entwicklung der Kultur des Landes in
gänzliche Vergessenheit seiner Bewohner.

Dem deutschen Theobul Kosegarten (1758-1818) und seinen empfindsamen
Liedern begegnet man in vielen deutschen Anthologien. Auch dem Ungarn
Janos Kis (1770-1846) braucht man nicht viel in ungarischen Büchereien
und Buchhandlungen nachzusuchen, um seine Gedichte und Memoiren
lesen zu können. Bezeichnenderweise wurde dagegen in den vergangenen
Jahrhunderten weder vom deutschen noch vom ungarischen Verlagswesen der
unter kulturhistorischen Aspekten wesentlich bedeutenderen Lyrik der gewiss
auch unvergleichbar begabteren Zeitgenossen aus dem deutschsprachigen
Ungarn gedacht - so der Lyrik von Carl Anton Gruber (1760-1840), Therese
Artner 1772-1829), Samuel Bredetzky (1772-1812), Johann Paul Köffinger
(1786 — um 1840) und vielen anderen.” Die Frage, ob irgendeiner meiner
Landsleute mit Abitur oder selbst mit MA-Diplom im Fach Hungarologie
das unmittelbar vor und nach 1800 zweimal veröffentlichte deutsche
Stephandrama von dem Pest-Ofner deutschen Schauspieler Franz Xavier
Girzick® gelesen oder gar von diesem wenigstens nur gehört hätte, dürfte nur
eine rhetorische Frage sein, obwohl ohne den intensiven Umgang mit diesem
Drama Jözsef Katona seinen klassischen Banus Bank anderthalb Jahrzehnte
später vielleicht gar nicht oder aber möglicher Weise anders geschrieben hätte,

* Eine breite Auswahl aus den deutschsprachigen Schriften vom ausgehenden 18. Jahrhundert

bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts (einschließlich aus denen der oben genannten Dichter)
erschien in den zwischen 1996 und 2006 veröffentlichten 6 Bänden der „Deutschsprachigen
Texte aus Ungarn“. Siehe „Vorwort“.

Girzik, Franz Xavier: Stephann [sic!] der erste König der Hungarn. Ein Schauspiel in
sechs Aufzügen von [F.] X. G. Mitglied der hochgräflichen Unwerth’schen deutschen
Operngesellschaft in Ofen und Pest. Pest: Druck Johann Michael Landerer, 1792 [2. Aufl.
1803], 184 S. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 2, S. 115-247.

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