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PROTESTANTISCHE GELEHRTE UND DIE VERMITTLUNG MODERNER OKONOMIEKONZEPTE...

Anstellung. Später nutzte er die Erträge aus einer mehrjährigen Bodenpacht,
um die finanzielle Grundlage für seine erneute Unternehmertätigkeit als Zei¬
tungsredakteur und Herausgeber zu schaffen. Schließlich gab er ab Anfang
des Jahres 1814 in Wien seine Agrarzeitschrift unter dem Titel Nemzeti Gazda
[Nationaler Landwirt] heraus. In seinem in der ersten Ausgabe der Zeitung
veröffentlichten Begrüßungsartikel formuliert er in Form einer psychologi¬
schen Anamnese seine Kritik an der in Ungarn allgemein vorherrschenden
Mentalität, welche seiner Meinung nach durch eine starke Neigung zur Apathie
und einer allgemeinen Lethargie gekennzeichnet war. Die Begriffswelt und das
Wertesystem seiner Weltanschauung zeugen weiterhin davon, dass er der Nati¬
on und den nationalwirtschaftlichen Interessen eindeutig eine prioritärer Stelle
einräumte. Die von ihm verfassten und an die Leser der Zeitschrift gerichteten
Aufrufe zur Korrespondenz bringen seine Interpretation des Begriffsinhalts
von Nation klar zum Ausdruck: Im Gegensatz zu dem vorherrschenden Stän¬
destaatsprinzip verstand er unter Nation nicht nur den Adel, sondern ebenfalls
die niederen Schichten der Gesellschaft. Und in Verbindung mit den Letzteren
ging er sogar so weit auszusagen, „die da sind die Letzten, werden die Ersten
sein“, sofern ihre Taten dem Interesse des salus publica dienen. In seinem Pro¬
gramm kommt der Wissenschaft eine wesentliche Bedeutung zu, wobei aller¬
dings sein Verständnis von agrarwirtschaftlichem Wissen nicht identisch ist
mit dem komplexen Wissenswerk, welches nach Rumys Wortlaut der als ars
definierten Disziplin zugeordnet wurde. Pethe deklarierte außerdem, in dem
er sich selbstkritisch über seine frühere Tätigkeit als Zeitungsredakteur sowie
über die von ihm zuvor vertretenen Prinzipien äußerte, dass seine neue Zeit¬
schrift nicht ausschließlich der praktischen Anwendung agrotechnischer und
den Pflanzenanbau betreffender Errungenschaften gewidmet wären, sondern
ebenfalls der Vermittlung von Kenntinssen an die Leser mit dem Wunsch, dass
sie ein besseres Verständnis der Prinzipien der allgemeinen Betriebsorganisa¬
tion entwickeln würden.

Die kritische Auseinandersetzung mit den traditionellen Wirtschaftsmetho¬
den bildete ein konstant wiederkehrender Topos in jeder einzelnen Ausgabe
der Zeitschrift Nemzeti Gazda, aber anstelle der früheren, vorwiegend ad
hoc formulierten Kritik, war Pethe in seiner zweiten Zeitschrift bestrebt die
Aufmerksamkeit auf die Verkettung, das weitere Umfeld und den Kontext
der eng verflochtenen Reihe der Mangelerscheinungen zu lenken. Seine leicht
verständliche, aber umso plastische Darstellung der von den Leibeigenen zu
entrichtenden Lasten, die er in der Ausgabe seiner Zeitschrift vom 15. März
1814 veröffentlichte, zeugte keineswegs von einer philanthropischen Veranla¬
gung seiner Person, sondern lässt sich in erster Linie auf den in seiner ersten