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PROTESTANTISCHE GELEHRTE UND DIE VERMITTLUNG MODERNER OKONOMIEKONZEPTE...

FACHAUSBILDUNG UND INSTITUTIONELLE RAHMENBEDINGUNGEN

In den ersten Jahren nach der Griindung des Georgikons verband sich der auf
praktische, in den Lehrbetrieben angeeignete Kenntnisse gestiitzte Unterricht
eng mit dem Namen von Ferenc Pethe (1763-1833), dem einstigen Schüler des
Reformierten Kollegiums von Debrezin (Debrecen). Pethe studierte anfangs in
Utrecht Theologie, später unternahm er eine längere Studienreise nach England
und Frankreich und wurde während seines Aufenthaltes in Wien zwischen 1795
und 1797 als Redakteur der ersten ungarischsprachigen Agrarzeitschrift be¬
kannt.°Es kann sicherlich nicht als Zufall betrachtet werden, dass Pethe in dem
von ihm verfassten Leitartikel dem Dienst von Reichtum und Gemeinschaft,
als gekoppelte Konzepte, eine vorrangige Stellung einräumte. Laut seinen
Ausführungen, die vermutlich in seinen Erfahrungen mit gesellschaftlich und
wirtschaftlich weiter entwickelten westeuropäischen protestantischen Ländern
begründet waren, kann das Ansammeln von materiellen Gütern niemals als
eigentliches bzw. eigennütziges Ziel betrachtet werden. In seiner Zeitschrift
findet sich die Manifestation des von ihm verlauteten Mottos „bereichert euch,
damit ihr glücklich werdet“ in Form einer Art von Aktionsplan wieder. Im
Sprachgebrauch von Pethe konzipiert sich Wohlstand nicht ausschließlich als
Korrelat des verbraucherzentrischen Verhaltens, sondern viel mehr als Inst¬
rument zur Erhebung einer im weiteren Sinn verstandenen Gemeinschaft, in
diesem Fall also des Landes.’ In der Argumentation von Pethe ist Armut nicht
ein Umstand, der entsprechend den christlichen Werten zur Vervollkommnung
des Einzelnen oder der Gemeinschaft — mittels der Ausübung karitativer Ta¬
tigkeiten — beiträgt, sondern ganz im Gegenteil, sie ist eine Belastung sowohl
für den Einzelnen als auch für die Gemeinschaft als Ganzes. Graf Festetics,

Aufenthalts in Keszthelyl zu beobachten, der Sie rastlos zu dem schönen Ziel streben lässt, al¬
les zu thun, was nur immer zur Vervollkommung des Feldbaues und Veredlung der Viehzucht
fördersam ist. Ihr vortrefliches Institut, des Georgicons, dass ich mit vergnügen besah, ist ein
sprechender Beweis davon, und es wird vieles der Gedanke zu meiner Erholung in geschäftsfreyen
Stunden beitragen, mich mit Ihnen in einiger Verbindung in ökonomischer Hinsicht zu wissen...”
Magyar Nemzeti Leveltär Orszägos Leveltär (Ungarisches Staatsarchiv: Im weiteren siehe MNL
OL), Festetics Leveltär (Familienarchiv Festetics: Im weiteren siehe Festetics Lt.) P 235 110. d. No.
525 f. 1. Zur umfangreichen Biographie von Festetics. Kurucz, György: Keszthely grófja. Festetics
György. Budapest: Corvina, 2013.

Eine ausführliche Beschreibung der Zeitschrift bietet Kurucz, György: Pethe Ferenc az elsö ma¬
gyar agrärszaklap ElenIn: Agrärtörteneti Szemle Bd. 28., Heft 1-2, 1986,5. 34-55.

Die u. a. von Pethe angesprochene Problematik wurde zu einem ’Ihema, das in unzähligen Wer¬
ken aufgegriffen wurde, die ganze Bibliotheken füllen würden, wobei ein Band sicherlich nicht
fehlen dürfte, nämlich das nunmehr als klassisch geltende bzw. emblematische Werk von Max
Weber, das mittlerweile eine Vielzahl von Ausgaben erlebte, über die Interrelationen zwischen
protestantischer Ethik und Kapitalismus.

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