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GYÖRGY KURUCZ

Das bestehende Beziehungsnetzwerk und die funktionsfáhige Vermittlung
und Übertragung von Wissen konnten sich in der Zeit nach der Vertreibung
der Osmanen aus Ungarn bzw. nach dem Freiheitskampf von Ferenc Rákóczi
II. in Folge der Rekatholisierungsbestrebungen der zentralistischen Regie¬
rungsführung der Habsburger nicht entsprechend wirksam entfalten. Das
Wissenstransfer in den ungarischen Gebieten des Habsburger Reiches öffnete
in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, ungleich der Entwicklung in West¬
europa, längst keine entsprechenden neuen Dimensionen wie es auf Grund der
Ausgeprägtheit des institutionellen und persönlichen Beziehungsnetzwerk hätte
mit Recht erwartet werden können. Der mittlerweile im wissenschaftlichen
Leben Ungarns und Siebenbürgens, insbesondere in den Naturwissenschaf¬
ten, einsetzende Rückstand musste aufgeholt werden. Es war allerdings nicht
vor der zweiten Hälfte der Regierungszeit Maria 'Iheresias (1740-1780), dass
es sich mittels der Tätigkeit und dem Wirken des aus Flandern stammenden
Arztes der Herrscherin, Gerard van Swieten (1700-1772), eine Möglichkeit
hierfür ergab. Obwohl die Regierung lange Zeit versuchte das Studium der
protestantischen Peregrinanten an ausländischen Universitäten lediglich auf
theologische Fächer einzugrenzen, wuchs der Wunsch unter den ungarnlän¬
dischen protestantischen Studenten immer weiter an, neben Iheologie nicht
nur juristische, sondern ebenfalls naturwissenschaftliche und vor allem me¬
dizinische Studien zu absolvieren. Ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts
besuchten die Peregrinanten aus Ungarn und Siebenbürgen neben den als
traditionell geltenden Universitäten in Flandern (Leiden, Utrecht, Franeker),
in der Schweiz (Basel, Zürich, Genf) und in Obersachsen, die wahrhaftig als
traditionelle Wissenszentren definiert werden können, mit Vorliebe die zu die¬
ser Zeit als modern geltende, von dem englischen König und hannoverischen
Kurfürsten Georg II. gegründete Universität, Georgia Augusta in Göttingen.?

? Szabó, Miklós: Erdélyi diákok külföldi egyetemjárása a XVI-XVIII. században In: Csetri, Elek/
Jakó, Zsigmond/ Sipos, Gábor/ Tonk, Sándor (Hgg.): Művelődéstörténeti tanulmányok. Bu¬
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Budapest: ELTE Levéltár, 2007.; Balogh, Piroska: Heyne és Schedius Lajos. A tudományos in¬
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A göttingeni egyetem szerepe a szaktudományok kialakulásában. Budapest: Gondolat, 2010,
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tingen dimenziöi. A göttingeni egyetem szerepe aszaktudomänyok kialakuläsäban. Budapest:
Gondolat, 2010, S. 161-173. Über die Gründung der Universität und die wichtigsten Merkmale
ihrer Tätigkeit im 18. Jahrhunderts: Saada, Anne: Die Universität Göttingen. Traditionen und
Innovationengelehrter Praktiken. In: Bödeker, Hans Erich/ Büttgen, Philippe/ Espagne, Michel
(Hgg.) Die Wissenschaft vom Menschen in Göttingen um 1800. Wissenschaftliche Praktiken,

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