Die Fürstenspiegel bieten dem König, dem Regenten oder den Leitern der
Gesellschaft einen ethischen Spiegel, in dem sich die idealen Eigenschaften
widerspiegeln sollen. Das Bild, d.h. die Schrift ist jeweils eine erwiinschte Fas¬
sung, auch ein Idealbild, das einerseits die Untertanen vom Fürsten erwarten,
andererseits bezieht es sich auf die Regeln, sogar die schriftlichen und unge¬
schriebenen Gesetze, die der Leiter in Betracht ziehen soll. Trotzdem sind die
Fürstenspiegel keine par excellence „staatsrechtlichen Schriften“.? Daneben gibt
das Genre immer auch einen Befund über die Gesellschaft und über die Sitten,
obwohl je ein Fürstenspiegel viele konoi Topoi, also Gemeinplätze beinhaltet.
Diese Thematik bezieht sich besonders auf die Tugendlehre der Philosophie,
die vorwiegend in der Rhetorik erörtert wurde.
Der Ursprung der sogenannten Speculum regum blickt zuerst ins Mittelalter
zurück. Früher meinte man, dass diese Gattung nur im Mittelalter, während
der Karolingischen Zeit mit den Schriften von Smaragd von St. Mihiel (Via
Regia), Sedulius Scottus, Hinkmar oder Jonas von Orléans geboren wurde.*
Heutzutage sind wir der Meinung, dass die Ratschläge-Texte schon im alten
Orient eine besondere Gattung vertreten hatten.’ Als erster Text kann die
Lehre von Djedefhor aus dem alten Ägypten erwähnt werden, die um 2500 v.
Chr. formuliert worden war. Die Mahnungen von Ptahotep während der Zeit
der fünften Dynastie (um 2400 v. Chr.) gilt als ein anderes Beispiel, wie die
Paränesen von Siduri aus dem Gilgameë-Epos (um 1100 v. Chr.).‘
Die griechisch-rômische Antike bedeutet eine besondere Station, weil wir
über viele Quellen verfügen, nicht nur aus dem konkreten Bereich der Fürs¬
tenspiegelliteratur, sondern auch aus dem Bereich anderer Gattungen, wie z.B.
Rhetorik, Historie und Philosophie.
Zu den berühmtesten Werken zählen Xenophons Kyroupädie, Die Erzie¬
hung von Kyros dem Größten, dann die zyprischen Reden von Iskorates, d.h.
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