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ARTEM GALUSHKO wegen Entführung und illegaler Inhaftierung ukrainischer Bürger Anklage unter Berufung auf Art. 146, 3 (illegale Freiheitsberaubung oder Entführung) und Artikel 332, 3 (illegaler Transport von Personen über die Staatsgrenze der Ukraine) des ukrainischen Strafgesetzbuches erhoben. Wegen der Inhaftierung von 24 ukrainischen Marinesoldaten in der Straße von Kertsch hat die Ukraine Beschwerde beim Internationalen Seegerichtshof in Hamburg eingelegt. Der Gerichtshof entschied Ende Mai 2019 mit 19:1 Stimmen, dass die Matrosen unverzüglich freizulassen sind. Russland behauptet, der Gerichtshof sei nicht zuständig." Zu einer selektiven Anwendung nationalen und Verletzung internationalen Rechts kommt immer wieder auch eine höchst zweifelhafte Beweislage. Die einzelnen Fälle sprechen für sich: Die ukrainische Kampfpilotin Nadija Savcenko wurde bei heftigen Kämpfen im Osten der Ukraine im Juni 2014 von prorussischen Separatisten als Geisel genommen und anschließend gewaltsam nach Russland verbracht. Die Gefangennahme geschah im Zuge eines bewaffneten Konflikts, die Pilotin war offen sichtbar bewaffnet und trug Uniform. Aufgrund der Sachlage hätte Savcenko folglich unabhängig von Russlands Position in dieser Frage unter dem Schutz des Genfer Abkommens von 1949 stehen müssen.!? In Russland wurde ihr illegaler Grenzübertritt (Art. 322 in Russlands Strafgesetzbuch) und Mord an zwei russischen Journalisten (Art. 105, Abs. 2(L), Mord an zwei oder mehr Personen aus Hass gegen eine soziale Gruppe) vorgeworfen — der Mörser-angriff, dem die beiden Journalisten zum Opfer fielen, fand jedoch erst eine Stunde nach Savcenkos Gefangennahme statt." nationalen russischen Rechts verweist u.a. Gleb Bogus, Podmena obvinjaemogo. Juridiceskij analiz dela Savcenko. Carnegie.ru (21.3.2016), https://carnegie.ru/commentary/63081. 1! Der Wortlaut der Beschwerde und das Urteil unter: www.itlos.org/cases/list-of-cases/caseno-26/. Siehe zu dem Fall auch Otto Luchterhandt, Gegen das Völkerrecht. Die Eskalation des Konflikts im Asowschen Meer, Osteuropa (2019), 3-22. 2 Auf der internationalen Ebene ist von Verstößen gegen das Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über die Behandlung der Kriegsgefangenen, Teil 1, Art. 4 (A)(1) und des sowohl von Russland als auch der Ukraine ratifizierten Zusatzprotokolls I vom 8. Juni 1977 zu sprechen. Siehe dazu die Ausführungen zu Art. 45 des Zusatzprotokolls I, das „Personen, die an Kriegshandlungen teilgenommen haben“ im Zweifelsfall ein Recht auf den Kriegsgefangenenstatus zuspricht, in: Fleck, Bothe, Handbook [Fn. 7], Abs. 703, 374. Die Entführung ukrainischer Bürger nach Russland und ihre dortige Haft verstößt außerdem gegen Art. 5 EMRK (Recht auf Freiheit und Sicherheit). Siehe den Fall Savriddin Dzhurayev gegen Russland, Nr. 71386/10, Absatz 257. — Vgl. auch die Fälle Iskandarov gegen Russland, Nr. 17185/05, und Abdulkhakov gegen Russland, Nr. 14743/11, in: Bernadette Rainey — Elizabeth Wicks — Clare Ovey, The European Convention on Human Rights, Oxford, OUP, 2014, 179. 3 Siehe die Resolution des Europäischen Parlaments zum Fall Savchenko unter www.europarl. europa.eu/sides/getDoc.do?type=TA&language=EN&reference=P8-TA-2015-0011. + 214 +