A) Die Forschung umarmt aber neben dieser Wechselwirkung der dreifachen
Einheit auch die Geschichte der Gegeniiberstellung — woriiber ich die Folgen¬
den feststellen konnte: In der Antike trifft man statt der Gegenüberstellung als
Wahrheitsfindungsmittel die Folter. Das Rechtsinstitut der Gegenüberstellung er¬
scheint erst nach der Glanzzeit der Tortur zwischen dem 17. und dem 18. Jahrhun¬
dert, und ihre Stabilisierung und Legalisierung erfolgten erst im 19. Jahrhundert.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts finden wir schon detaillierte Regeln
über die Gegenüberstellung in den Strafprozessordnungen, unter anderen auch
in dem ungarischen Gesetz. Bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts wird sie
überwiegend in dem Stadium der Hauptverhandlung angewendet, in der zweiten
Hälfte übernimmt jedoch ihr kriminalistischer, vor Allem ihr kriminaltaktischer
Aspekt die führende Rolle, so wird sie von nun an vor Allem in der Untersuchungs-,
Ermittlungsperiode eingesetzt. In der Hauptverhandlung existiert sie jedoch in
vereinfachter Form.
Im 20. Jahrhundert wird die Gegenüberstellung in dem (weiterhin in Übergewicht
stehenden) Ermittlungsverfahren in der (weniger wichtigen) Hauptverhandlung ¬
vor Allem aus Gründen des Informations- und Datenschutzes bzw. des Schutzes
der Minderjährigen -mit Grenzen angewendet.
Aus der rechtshistorischen Untersuchung lässt sich deutlich erkennen,
dass die Erscheinung, der Auftritt der Gegenüberstellung eine 300-400
jährige einheitliche Periode ist, während der die Daseinsberechtigung und die
Wahrheitsfindungsfunktion dieser Rechtseinrichtung von keinem Theoretiker
oder Gesetzgeber in Frage gestellt wurde, und dies gilt auch für unser Zeitalter.
B) Aus der rechtlichen Regelung der Gegenüberstellung stellte es sich heraus,
dass in den angelsächsischen Rechtssystemen dieses Rechtsinstitut gar nicht
existiert. Zu der Klärung des Sachverhalts und der Überzeugung der Geschworenen
und der Richter wenden sie also andere Methoden an.
Von den Ländern der kontinentalen Rechtsfamilie konnte man feststellen,
dass die Rechtsvorschriften über die Gegenüberstellung — die Wichtigkeit dieser
Rechtseinrichtung heraushebend - in den nationalen Strafprozessordnungen
zu finden sind. Die relativ kurzen, nicht besonders ausführlichen Rechtsnormen
über die Gegenüberstellung werden im Allgemeinen durch kriminalistischen,
kriminaltaktischen und polizeitechnischen Empfehlungen, Ratschläge und
Methoden ergänzt. Dies stimmt vor Allem in den Ländern zu - und diese sind in
Mehrheit -, wo das Übergewicht der Gegenüberstellungin das Ermittlungsverfahren
fällt. Obwohl die Gegenüberstellung als Wahrheitsfindungsmittel in der Mehrheit
der europäischen Länder in beiden Hauptstadien des Strafverfahrens, also sowohl
während der Ermittlungen, als auch in der Hauptverhandlung angewendet wird,
ist diese Behauptung wahr und begründet.