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UNTERNEHMENSSTRAFRECHT, GLOBALER WETTBEWERB UND MENSCHENRECHTSSCHUTZ in der EU praktizierten partikular zersplitterten Unternehmensstrafrechts als potenzieller Wettbewerbsnachteil nicht nur für die europäische Marktordnung, sondern auch und gerade für europäische Unternehmen im globalen Wettbewerb. Ähnliche Nachteile könnten für aufstrebende globalwirtschaftlich bedeutsame Märkte wie China und Indien in Betracht kommen. Damit resultiert — zunächst wohl als Vision — die Idee, ein international harmonisiertes Unternehmensstrafrecht könnte ein wirksames Instrument zur globalen Ächtung und Verfolgung von schweren Menschenrechtsverletzungen sein, werden doch Menschenrechte und deren wirksamer weltweiter Schutz bei wirtschaftsbezogenen Verhaltensweisen (Erzeugung, Bearbeitung und Absatz von Produkten sowie Dienstleistungen) erst allmählich adressiert. Die Verzahnung wirtschaftlicher Verhaltensweisen von Unternehmen mit anderen schweren Menschenrechtsverletzungen wie Kinderarbeit, ausbeuterische Arbeitsbedingungen, illegale Rohstoffförderung und Umweltzerstörung wird gegenwärtig hingegen tendenziell als „neutrale“ Beteiligung angesehen. Was tun? Notwendig erschien uns eine fundierte Untersuchung, die nicht nur rechtliche, sondern auch rechtstatsächlich-empirische Ergebnisse in eine Analyse der Ausgestaltung und Anwendung des Unternehmensstrafrechts in führenden und aufstrebenden Märkten weltweit erfasst. Es gelang, ein drittmittelfinanziertes Forschungsprojekt, das auch Advocacy und Dissemination beinhaltet, an der Johannes Kepler Universität (JKU) Linz zu implementieren. Als forschungsiibergreifende Problemstellung und Ausgangspunkt wurden „Governance Gaps“, Regelungslücken, identifiziert, in welchen räumliche, ökonomische und rechtliche Phänomene ineinander greifen. Transnationale Unternehmen agieren entsprechend der globalen Arbeitsteilung in rechtlich defizitären bzw durchsetzungsschwachen Staaten des globalen Südens und in Schwellenländern in Ostasien, um ihre Produktionskosten zu senken und Wertschöpfung zu generieren. Nationale Strafrechtsordnungen wie auch das Völkerrecht vermögen es in ihrer derzeitigen Verfasstheit nicht, die evidenten Regelungsdefizite, das latente Verletzungsrisiko für Menschenrechte sowie damit einhergehende wettbewerbsrechtliche Verzerrungen wirksam zu handhaben. Das Völkerrecht erscheint in seiner Rechtsschöpfung zu träge und in seiner Durchsetzung zu schwach, das nationale Strafrecht weist hingegen nur limitierte extraterritoriale Steuerungskapazitäten auf. Ein Grenzgang zwischen strafrechtlicher und völkerrechtlicher Ebene sowie zwischen den Wissenschaftsdisziplinen ist Voraussetzung, um die Haftung von transnationalen Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen, ihre Steuerung, die Bedingungen für wettbewerbsrechtliche Fairness und einen Ordnungsrahmen zu er- und begründen. 5° DasUWM-Forschungsprojekt wird von der B & C Privatstiftung, Wien, drittmittelfinanziert. + 9] +