UNTERNEHMENSSTRAFRECHT, GLOBALER WETTBEWERB UND MENSCHENRECHTSSCHUTZ
text zu grenzüberschreitenden Migrationsbewegungen ist nicht (mehr) zwingend.
Gerade im Zuge der aktuellen Lieferkettendebatten wird die Verantwortlichkeit
von Unternehmen der westlichen Hemispháre für menschenrechtsverletzende""
Zustánde in den verlángerten Werkbánken in Entwicklungslándern auch unter
dem Aspekt des Menschenhandels durch Arbeitsausbeutung diskutiert.”
Die aktuellen Bestrebungen um die mit Lieferkettengesetzen angestrebte ge¬
setzliche Verankerung von Verantwortung und Verantwortlichkeit fußen schein¬
bar logisch und folgerichtig auf solchen Entwicklungen. Dabei meinen wir mit dem
Begriff der Verantwortung von Unternehmen die global-ethische Perspektive, auf¬
gegriffen mit völkerrechtlichem soft law, etwa den Corporate Social Responsibility
Rules der UN und der OECD, während mit dem Begriff der Verantwortlichkeit die
Frage (auch strafrechtlicher) Haftungsregimes aufgegriffen wird.
Solche Haftungsregimes scheinen uns (in den Grenzen des strafrechtlichen
Gesetzlichkeitsprinzips, Art. 7 Abs. 1 EMRK und Art. 4 Abs. 2 IPBPR) nicht nur
durch die Vordertür im Wege ausdrücklicher gesetzlicher oder völkervertraglicher
Anordnung, sondern evolutiv auch durch die Hintertür geltenden Strafrechts,
über den Einfluss etwa von CSR auf die Auslegung bestehenden zwingenden
Rechts, etwa strafrechtlicher Bilanzdelikte, entstehen zu können.
FORSCHUNGSOBJEKT INTER- BZW. TRANSNATIONALES
UNTERNEHMENSSTRAFRECHT: EINE VISION UND IHR WERDEN
Mit Blick auf das österreichische Strafrecht hat das umfassend anwendbare, nicht
auf bestimmte Straftatbestände beschränkte Verbandsverantwortlichkeitsgesetz
(VbVG) einen innerstaatlichen Paradigmenwechsel bewirkt. Unternehmen sind
sensibilisiert.” Compliancemaßnahmen als Kriminalitätsprävention lassen
™ Zum Menschenhandel als Verletzung des durch Art. 4 EMRK verankerten Verbots der
Sklaverei und der Zwangsarbeit siehe EGMR, 07.01.2010, Rantsev v. Cyprus and Russia, Nr.
25965/04, Tz. 282. Zu weiteren internationalen Schutzgewährleistungen Karin Bruckmüller —
Stefan Schumann, Chapter 5: Crime Control vs. Social Work Approaches in the context ofthe
“3P” Paradigm: Prevention, Protection, Prosecution, in John Winterdyk — Benjamin Perrin
— Philip Reichel (eds.), Human trafficking: Exploring the International Nature, Concerns, and
Complexities, Boca Raton — London — New York, NY, CRC Press, 2012, 103 (104).
Siehe die rechtsvergleichende Analyse von Stefan Schumann, Corporate Criminal Liability
on Human Trafficking, in John Winterdyk — Jackie Jones (eds.), The Palgrave International
Handbook of Human Trafficking, London, Palgrave Macmillan — Springer International,
2019, 1-20, https://link.springer.com/referenceworkentry/10.1007/978-3-319-63192-9 10-1.
13 Stefan Schumann — Richard Soyer, The Role Of Corporate Criminal Compliance For The
Protection Of Public Financial Interests, in Farkas, Akos — Gerhardt Dannecker -Jacsö,
Judit (eds.), Criminal Law Protection of the Financial Interests of the European Union,
Budapest, Wolters Kluwer Hungary, 2019, 401.