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WEGE

meiner Generation, die sich (nicht anders als ich mich) u. a. von der Seefahrt¬
Aussage „Ireu dem Zweck auch auf dem schiefen Wege“ in besonderem Maße
angetan fühlten.

Zum Schluss möchte ich es damit bewenden lassen, dass ich in den ver¬
gangenen sechs Jahrzehnten viele Texte mehrmals gelesen habe und in den
meisten davon vermutlich teils wegen der besonderen Qualität teils aber wegen
meiner eigenen Wege jedes Mal etwas Neues vorfand. Meine Faust-Lektüren
könnte ich ab 1954 in drei längere Phasen unterteilen. In den letzten Jahren
haben mich ganz besonders die letzten Partien der Anmutigen Gegend und
deren Zusammenhänge mit den Schlussversen des zweiten Teiles angesprochen,
an denen ich früher merkwürdiger Weise unachtsam vorbeiging. Dass der
Gehalt dieser Textstellen für Goethe in seinen letzten Lebensjahren besonders
wichtig war, beweisen in seiner Alterslyrik die vielen intertextuellen Bezie¬
hungen ähnlichen Gehalts, ja sogar in manchen gleichzeitig verfassten Prosa¬
schriften. Zum Abschied biete ich nun in diesem Sinne den ersten Absatz zu
einer wissenschaftlichen Abhandlung Goethes von 1825 an:

Das Wahre, mit dem Göttlichen identisch, lässt sich niemals von uns direkt er¬
kennen, wir schauen es nur im Abglanz, im Beispiel, Symbol, in einzelnen und
verwandten Erscheinungen, wir werden es gewahr als unbegreifliches Leben, und

können dem Wunsch nicht entsagen, es dennoch zu begreifen.'*

4 Goethe, Johann Wolfgang von: „Versuch einer Witterungslehre. Einleitendes und Allgemeines“
(1825). In: Goethe, Johann Wolfgang von: Werke. Bd. 13. Naturwissenschaftliche Schriften I.
Hg. v. D. Kuhn u. R. Wankmüller. München: Verlag C. H. Beck, 1994, S. 305. (= Hamburger
Ausgabe, Bd. 13)