DIE FRIEDENSBOTSCHAET DES MIKLÓS RADNÓTI — DEUTSCH
Vorahnungen bloß von außen und von Weitem erlebt, so poetisch dies im
individuellen Urteil auch ausfallen mochte:
[...] Wir erfrieren
in diesem Winter, der von Kriegen brennt,
da die zum Widerstand zu schwache Seele
schon lernt der rohen Fäuste Argument.
Die minutiöse Darstellung der Naturerscheinungen als Träger der Friedens¬
sehnsucht ähnelte allerdings bereits denen der letzten Gedichte:
Vom Sommer träumen wir und dass die Wälder
ergrünen und ihr Moos den Schritt erquickt,
und unser Aug’ in farbensatten Garten
die reife, fallbereite Nuss erblickt.
[...]
und zwitschernd Schwälblein in die Nester schwirren,
die sich am Dach schwarz an der Traufe reihn!
Kann dies je sein? Ja, einst wird Frieden sein.
Hier aber spricht vom ersehnten gerechten Frieden der künftigen Menschheit
der Dichterprophet der mittdreißiger Jahre, im Gewaltmarsch dagegen der
leidende und gedemütigte Mensch der Kriegszeit. Und doch wird auch der
Hymnus nicht nur mit seinen unvergleichbaren Naturbildern in das poetische
CEuvre des Dichters eingebunden. Mit den Worten „ja einst wird Frieden sein“
wurde der Hymnus, das verweltlichte Preislied auf den Frieden, abgeschlossen,
der hymnische Schwung klang feierlich aus — worauf sich gattungsfremd,
leise seufzend in der Art eines Stoßgebets letzter Kräftesammlung noch ein
einziger Vers, weder in eine Strophe noch in die Gattung gebunden, reimte,
den feierlichen Schalmeieinklang zersetzend:
[...] Ja, einst wird Frieden sein.
O Herz halt aus! Wehr dich, o Seele mein!
Wichtiger als alle großen Worte auf einen abstrakten Friedensbegriff schien
damals das programmatische Bekenntnis zur Selbstwahrung, zur Bewahrung
des inneren Friedens, der „Reinheit“ und der „Unschuld“, der in der eigenen In¬
dividualität gehüteten Vorboten des allgemeinen Friedens künftiger Zeiten. In
diesem modern einschneidenden Vers konzentriert dieses Friedensgedicht seine
eigentliche Aussage, gewinnt es seine unvergleichbare Form und erhebt sich
gleichzeitig in die Reihe der bedeutendsten Gedichte zwischen 1933 und 1944.