Ich versichere unseren deutschen Gästen, dass sie nun alles in einer einwand¬
freien exakten ungarischen Strophe gehört haben, wobei weder die ungarische
Sprache vergewaltigt noch der Inhalt des Originals verletzt wurde.
Von Goethes zweitem Wandrers Nachtlied registrierte Käroly Ujväri in
einer vor Kurzem erschienenen Studie 29 ungarische Nachdichtungen - es
gibt aber gewiss mehr, seine Belege sind aus der zweiten Hälfte des 19. Jahr¬
hunderts bei Weitem nicht vollständig — darunter gibt es Namen wie Dezsö
Kosztolányi, Lőrinc Szabó, Gyula Illyés, Sándor Weöres, von den neuesten
Dezső Tandori." Dochist es dem Lyrikinteressierten Ungarn gewiss nur Árpád
Toths Ubertragung gelaufig. Dies ist auch kein Zufall. Ohne Zweifel hat er das
originale Gedicht als Leser am besten verstanden (Vergänglichkeit des Einzel¬
nen als Teil der allgemeinen Naturharmonie) und er hat auch bei der ungari¬
schen Wiedergabe der Stimmung des Gedichtes die bestmöglichen sprachlichen
Ausdrucksmittel gefunden (Z.B. hat er die fehlenden pf-Laute (Gipfel, Wipfel)
am Anfang des kleinen Gedichtes mit einer Reihe von labialen Lauten kom¬
pensiert (immár minden bercet). Hinzukommt noch die fehlende Aspiration
der stimmlosen Verschlusslaute im Ungarischen, und vor allem fehlen dabei
die im Deutschen mit den Buchstaben ‚ch‘ bezeichneten Konsonanten, die
sogenannten palatalen ‚ich‘- und velaren ‚ach‘-Laute. Letztere ersetzten in
Töths ungarischer Übersetzung der anlautende und intervokale Hauchlaut ‚h‘
(Halk, Söhajt) sowie die auslautenden ‚j‘-Konsonanten (eigentlich stimmhafte
‚ich‘-Laute) an Versenden zur Stimmlosigkeit neigend (é, félj) usw.
Es besteht kein Zweifel, unter Árpád Tóths Feder wurde Manches auch
qualitativ besser, als das im originalen Gedicht der Fall war. Ich gedenke dabei
des französischen Symbolisten Albert Samain, dessen Gedichte wir in unseren
Gymnasialjahren in Budapest ein halbes Jahrhundert nach seinem Tode, als
er bereits außerhalb fachkundiger Kreise in seiner Heimat kaum noch zur