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VERSUCH EINES PORTRATS DES ROBERT GRAGGER

an der Budapester Universität 1909 mit der germanistischen Dissertation über
Karl Beck und die deutschsprachige politische Dichtung.”

Die Anfänge der (hochschul)pädagogischen
und wissenschaftlichen Karriere (1909-1916)

Nach seinem Universitätsabschluss war er zunächst von 1909 bis 1912 Ober¬
lehrer in der hauptstädtischen Oberrealschule des VIII. Bezirks (seit 1921
Vörösmarty Mihäly Gimnäzium), danach unterrichtete er von 1912 bis 1916
deutsche Sprache und Literatur an der Lehrerbildungsanstalt für Bürgerschul¬
lehrer. Inzwischen - im Schuljahr 1910/1911 — wurde ihm ein fünfmonatiger
Studienurlaub gewährt, der es ihm ermöglichte, im Rahmen einer Studien¬
reise an der Berliner Universität die Vorlesungen von Erich Schmidt und Gus¬
tav Roethe zu hören. Schon in diesen ersten sieben Jahren seiner Lehrtätigkeit
zeichneten sich die Züge des idealen Wissenschaftlers und Lehrers ab: Er
unterrichtete, kam seinen Forschungsaufgaben nach und veröffentlichte regel¬
mäßig die Ergebnisse. Nicht erst 1922, als er die Worte niederschrieb, „dass
der hervorragende Gelehrte, der Mann der Forschung, zugleich der beste und
letzten Endes der wirksamste Lehrer sein wird“,” sondern schon als angehen¬
der Forscher und Lehrer war er von der Wahrheit dieses Gedankens überzeugt.

Die Wissenschaft hatte dabei für Gragger von seinen frühesten Anfängen
her nie einen abstrakten, bloß theoretischen Sinn. Sie war weder Zuflucht
eines entfremdeten Menschen noch die Kompensierung von Enttäuschungen
in einer von weltpolitischen Krisen erschütterten Wirklichkeit. Ganz im Gegen¬
teil - Gragger hielt, von einem imponierenden Idealismus durchdrungen, zeit
seines Lebens an dem Gedanken fest, dass die genauen Kenntnisse von kultu¬
rellen Werten sowie von notwendigen Zusammenhängen der Produkte der
europäischen Kultur zu kathartischen Wirkungen bei der Entwicklung eines
humanistischen Europäertums beitragen können. Dieser Überzeugung hatten
schon die frühesten Forschungsthemen dienen sollen, vor allem jene über die
kulturellen Wechselbeziehungen in der Weltliteratur.

Nach Abschluss der Universität veröffentlichte Gragger eine ganze Reihe
von Arbeiten verschiedener Art über die deutsch-ungarischen Beziehungen
vor allem im Rahmen einer intensiven Tätigkeit auf dem spezifischen inter¬
disziplinären Grenzgebiet der Germanistik und der Hungarologie, unter ihnen
die Abhandlungen über deutschsprachige Dichter ungarnländischer Herkunft,
so über Lenau und Karl Beck, über die Geschichte der deutschen Literatur in

°° Gragger, Robert: Beck Károly és a német politikai költészet [Karl Beck und die deutsche poli¬
tische Dichtung]. Budapest: 1909, 82 S. (= Sonderausgabe aus Budapesti Szemle. Bd. 138.)

?! Gragger, Robert: Ungarische Institute für Geschichtsforschung. In: Ungarische Jahrbücher,
1922, Bd. 2, S. 203.

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