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LÁSZLÓ TARNÓI: SCHNITTPUNKTE. STUDIEN ZUR GERMANISTIK UND HUNGAROLOGIE

dem damals „einzigartigen Zentrum deutschsprachiger Kultur“ bei den Ge¬
brüdern Gädicke erschien. (Um die engen thematischen und strukturellen
Beziehungen sowie die wenigen aber unverkennbaren wörtlichen Überein¬
stimmungen zwischen diesem Gedicht und der zweiten Variante‘ von Goethes
An Schwager Kronos zu veranschaulichen, werden deutliche Parallelstellen des

Goethe-Gedichtes mitgedruckt.)

Die rasche Lebensweise

[Str. 1] Aufgesessen, Schwager Kronos!

Tummle dich, die Nacht bricht ein. —
Laß die Peitsche tüchtig knallen,
Rasch will ich durchs Leben wallen,
Und der schnellen Fahrt mich freun!

[Str. 2] Frische Rosse, Schwager Kronos!
Nimm das flüchtigste Gespann,

Eh’ der ferne Strahl versinket,

Eh’ das Alter mich erhinket,

Ende mir die kurze Bahn.

[Str. 3] Noch zwei Rosse, Schwager Kronos!
Rauhe Wege drohen hier.

Mag die mürbe Achse krächzen,

Mag die dürre Nabe lechzen:

Bald erreicht ist das Quartier.

[Str. 4] Blase, guter Kronos, blase!
Dieser Schild bringt Ruh und Rast.
Sieh den Wirt mit kahler Rippe,
Nakt am Schädel, mit der Hippe,
Ha! Er winkt dem neuen Gast.

E."

Goethe: An Schwager Kronos

[V. 1-7] Spude dich, Kronos!
Fort den rasselnden Trott!
Bergab gleitet der Weg;

Ekles Schwindeln zögert

Mir vor die Stirne dein Zaudern.
Über Stock und Steine den Trott
Rasch ins Leben hinein!

(V.9 bis 25 gibt es keine
direkten Beziehungen.)

[V. 26-31] Ab denn, rascher hinab!
Sieh, die Sonne sinkt!

Eh sie sinkt, eh mich Greisen
Ergreift im Moore Nebelduft,
Entzahnte Kiefer schnattern

Und das schlotternde Gebein —

[V. 32-36] Trunknen vom letzten Strahl
Reiß mich ein Feuermeer

Mir im schäumenden Aug,

Mich geblendeten Taumelnden

In der Hölle nächtliches Tor.

[V. 37-41] Töne, Schwager, ins Horn,
Raßle den schallenden Trab,

Dass der Orkus vernehme: wir kommen,
Dass gleich an der Türe

Der Wirt uns freundlich empfange.

5 Schulz, Gerhard: Die deutsche Literatur zwischen Französischer Revolution und Restauration.
Bd. 2. München: C. H. Becksche Verlagsbuchhandlung, 1989, S. 81. (= Geschichte der deutschen
Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart. Begründet von Helmut De Boor u. Richard
Newald, VII/2)

° Die Sturm-und-Drang-Fassung vom Oktober 1774 wurde fiir Band 8 der ersten Werkausgabe
Goethes (hg. 1789) stark umgearbeitet. Diese zweite Variante ist seither allgemein bekannt.

7 Kleine Schriften, Bd. 1, S. 115 f.

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