in höherem Maße als früher Bedeutung beigemessen haben. Diese mögliche
Wirkung durch die Kunst war dabei selbstverständlich ganz allgemein zu ver¬
stehen. Goethe hat sie nicht nur auf die aufgeklärte „Fürstenerziehung“ be¬
schränkt, wenn auch das erste Jahr in Weimar mit den Gedichten Dem durch¬
lauchtigsten Fürsten und Gehab dich wohl |...] (aus einem Brief an den Herzog)
dafür bereits erste poetische Belege liefert.
Schließlich gehörten zur Dichterweihe in Goethes Hans-Sachs-Gedicht
außer dem Sinn für die Wahrheit und dem kunstgerechten Umgang mit exem¬
plarischen Stoffen auch der Sinn für einen gesunden, der Wirklichkeit stets
verbundenen Humor wie auch (in den Schlussstrophen des Gedichtes besonders
hervorgehoben) das Goethe zufolge für jede poetische Inspiration unentbehr¬
liche, ewig verjüngende wahre Erlebnis der Liebe.
Einen besonderen literaturhistorischen Stellenwert hatte dieses Gedicht
auch deshalb, weil es den Anfang der von nun an kontinuierlich gelieferten
lyrischen Zeugnisse für die später ein ganzes Leben lang vielfach variierte,
wirklichkeitsbezogene ars poetica Goethes markierte, die über die präklas¬
sische Zueignung von 1784 und u. a. die Sonette der Jahrhundertwende bis
zu einer ganzen Reihe von Divan-Liedern sowie zu anderen parabolischen
und epigrammatischen Gedichten seiner Alterslyrik in den zwanziger Jahren”®
führten.
In dem Hans-Sachs-Gedicht beschränkte sich Goethe (im April 1776) aus¬
schließlich auf spezifische Fragen der „Sendung“, d.h. der Mission des Dichters
bzw. der Wesens- und Funktionsbestimmung der Poesie. In der Seefahrt
summierte er viereinhalb Monate später (Anfang September) als Dichter sei¬
ne neuen Erfahrungen, stellte diesen die früheren Ansichten entgegen, und
aus dieser Konfrontation zog er schließlich die Bilanz des ersten Weimarer
Jahres. Um die ganze Problematik in knapp sechsundvierzig Versen voll ent¬
wickeln und plastisch verdeutlichen zu können, bediente er sich seines einzig¬
artigen, durch zahlreiche Bilder und sprachliche Neubildungen verdichteten
Stils sowie der symbolischen Darstellung, die mit einer Fahrt auf der See das
Leben des Dichters zu veranschaulichen hatte. Die Lebensfahrtbilder hatten
aber nach Aussage und Form mit denen des zwei Jahre zuvor entstandenen
Gedichts An Schwager Kronos kaum noch etwas gemeinsam.“ In der ursprüng¬
lichen Fassung des letzteren äußerten sich die damals noch typischen ma߬
losen Gegenwarts- und Zukunftserwartungen, deren hochfliegende Metapho¬
rik in den frei pulsierenden Rhythmen des Gedichtes schließlich bis zu dem
Bild einer feierlich stolzen „Götterdämmerung“ des Genius in der Unterwelt