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LÁSZLÓ TARNÓI: SCHNITTPUNKTE. STUDIEN ZUR GERMANISTIK UND HUNGAROLOGIE

Gott selbst den Menschen Kinder /
Rechts than nit kunt hat doch"!
Weil er auff Erdt / vil Minder

Und weniger jetz noch

Seit er im Himmel hoch.”

VON DER WELT HOFFART UND BOSSHEIT
— SUMMARISCHE VERDICHTUNG DER HO(E)CK’SCHEN MOTIVE

Eines der ausdrucksvollsten dieser Gedichte mit dem Titel Von der Welt Hof¬
fart und Boßheit bietet dem Leser eine Art Summa Summarum der Ho(e)ck’¬
schen Innovationen im Gehalt sowie in der äußerst komplexen Formensprache
der neuen deutschen Dichtung, denen man davor noch so gut wie gar nicht,
dagegen danach noch über hundert Jahre immer wieder begegnet. Nicht zu¬
fällig wählte Herbert Cysarz dieses Gedicht in seine Auswahl des deutschen
Frühbarocks, die eine Art lyrische Ouvertüre zur neuen deutschen Poesie ver¬
körpert. Dabei dürfte auch das Wort modern nicht unbedingt Fehl am Platze
sein. Dem Inhalt nach werden nun alle Register trostloser Verzweiflung baro¬
cker Ängste gezogen. Aber die neue poetische Sprache, die bisher unbekann¬
te abgerundete Strophenform (hier mit einem kurzen Vers in der Mitte)” und
vor allem die harmonisch ausgewogene Komposition des Liedes, mit welcher
der Dichter seinen bahnbrechenden Formwillen auf eine höchst beachtens¬
werte Weise durchsetzt, heben die beklemmenden Ideen kathartisch in die
Sphäre des Ästhetischen.

Der Tod markiert den Mittelpunkt Von der Welt Hoffart und Boßheit. Er
bildet die Achse der Komposition in der vierten Strophe (E): Danach sei alles
in der Welt „gleich Todes gestalde“. Alles dreht sich um ihn, erstens die typi¬
sche und tief erlebte soziale Kritik Ho(e)cks über die schlechte, verkommene
Welt (A) unmittelbar nach dem Anfang (2. Hälfte der Strophe 1. und Strophe
2.) und vor dem Schluss (Strophen 6. und 7.). Näher zum Zentrum rückt die
pessimistische barocke Sicht auf das Glück (B), das sich notwendigerweise
jeweils nur ins Unglück „verkehret“ (siehe die Strophen 3. und 5.). Schließlich
verbindet die betonte Empfindung der Zeit (C) bzw. die Vergänglichkeit aller
Freud und Lieb (D) das sinnlose Leben (die böse und hoffärtige Welt und das

5. auch nicht hat recht tun können

> Schlussstrophe von „Nach Erfahrenheit kombt Erkantnüs“. In: Saarbrücker Ausgabe, S. 10.

53 Die Zeit bricht nun in der Geschichte der deutschsprachigen Poesie an, als auch das Schrift¬
bild gedruckter poetischer Texte auf die Adressaten wirken soll. Verse sprechen nicht mehr
nur die Ohren, sondern bereits auch die Augen an. Beim Lesen gleicht sich die Lesezeit der
einzelnen Verse aus: So werden unwillkürlich die Worte in längeren Zeilen schneller, die in
kürzeren langsamer gelesen. Auch in dieser Beziehung gehört Ho(e)ck zu den ersten deutschen
Dichtern, die all dies in ihrer poetischen Praxis bewusst vertraten.

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