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POESIE TROSTLOSER VERZWEIFLUNG

Das Barock-Motiv des tiefen Erlebnisses der unaufhaltsam dahineilenden Zeit
verbindet sich dabei mit dem Vanitas-Motiv, dem des unausweichlichen Todes,
der alles sinnlos macht. So lauten die beiden Schlussstrophen im Gedicht Einem
Pilger ist die Welt zu eng / sein Grab zu weit:*

Sihe so kombt ohn gefehr der Todt /
Must vnuersehen sterben /

Sihe so hats geschaffen Gott /
Kanst kein Termin erwerben /

Und dich auch nit verbergen /

Sihe gar eylendts must du daruon /
Das ist für all die Rey8" dein Lohn.

Drumb lieber nie geboren sein /

Als also kürtzlich leben /

Was ich nit weiß / kein Freud noch Pein /
Auf Erden mir kann geben /

Umb sonst nach Fried wir streben /

Doch sollen wir reden und greiffen nicht /

Gottin sein Werck er hats gericht.

Es ist zu verzweifeln, wie trostlos die Welt dieses Dichters ist: Er ist so gut wie
nie in der Lage in seinen Liedern irgendeine erlösende Antithese zu seinen
düster-aussichtslosen Ideen zu finden, den thematischen Kontrapunkt*? mit
Gottgläubigkeit und Heilszuversicht, wie dies später für die Dichter des Jahr¬
hunderts und für ihre Dichtung so bezeichnend wurde. Der Dichter glaubt
zwar an Gott, aber die Welt ist seiner Auffasssung nach dem Teufel ausgelie¬
fert. Ob auch er, ähnlich dem älteren protestantischen Zeitgenossen und Lands¬
mann Johann Fischart, wie Ralf Bogner über letzteren berichtet, in der Parusie¬
Erwartung lebte und so — des Schauderhaften der letzten Zeiten gewiss — in
seinen Liedern dem Entsetzen vor der Welt des Antichristen Ausdruck gab?
Diese Frage lässt sich anhand der Liedertexte nicht eindeutig beantworten.
Tatsächlich sei nach ihm Gott in dieser irdischen Welt nur etwa „halbwegs“
da gewesen, sei er ja bereits lange in den Himmel aufgefahren:

*” Ebd., S. 84-86.

8 Reise

4 Siehe in diesem Band S. 35, Anm. 25.

5° Bogner — Frenk, Geschichtsklitterung oder Was ihr wollt, S. 30.

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