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2. KOMBINATIONEN DER SCHEMATA

Schema 5: Die Ungarn (dies folgt zum Teil auch aus Schema 4) bedürfen der
sorgfáltigen bzw. umsichtigen Verbreitung der höheren geistigen, moralischen,
wirtschaftlichen, ja sogar politischen Kultiviertheit der Deutschen. (Diesem
Schema begegnet man von der cluniazensischen zweiten Mission im zehnten
und elften Jahrhundert immer wieder bis zu manchen der neuesten deutschen
Stellungnahmen.)

Ernst Moritz Arndt und Friedrich Schlegel schrieben vor und nach
1800 in diesem Sinne wohlwollend vom notwendigen „europäisiren“ und
„humanisiren“ des einstigen „asiatischen Volkes“ durch die Deutschen",
wie man gleichzeitig auch in der „Zeitung für die elegante Welt“ von den
Deutschen informiert wurde, die „durch [ihre, L. T.] Kenntnis[se] und
natürliche Geschmeidigkeit [...] die ungeheure Masse eines so heterogenen
Haufens“ [d. h. der Ungarn] zusammenzuhalten vermögen.'*

2. KOMBINATIONEN DER SCHEMATA

Oft kommt es auch zu den verschiedensten Kombinationen der deutsch¬
sprachigen Ungarntypologie. In Arndts Bericht wird bereits vor den Grenzen
des ungarischen Königreichs die Reise „in das liebe Ungerland“ schemen¬
gerecht vorprogrammiert, indem sie laut Autor „in dieses schöne vom Himmel
gesegnete“ (Schema Nr. 3), andererseits aber „von Menschen reichlich
zerstörte und niedergetretene Land“ (Schema Nr. 4) führen soll.'°

Nach der Reise wird das Vorprogrammierte mit einer Reihe von Gegensatz¬
paaren des Reichtums und der Unkultiviertheit belegt, wie „traurig“ es z. B.
ist, „wie der Ackerbau in einem so fruchtbaren Lande aussieht“, andererseits
wie lächerlich u. a. ebenda die „Bepelzungen“ [im August!] verschiedenster
Art seien, „denn Pelz und Verbrämung muß hier alles haben, sehe es gleich
nun einem hottentottischen Schaaffelle ähnlich [...]*."

Ähnlich verbindet sich die Schönheit der Frauen (Schema Nr. 1) mit dem
Wilden und Rohen, der „scheußlichen Gemeinheit“ (Schema Nr. 4), wenn
Arndt von seinen desillusionierenden Erfahrungen in einem Bordell in
Preßburg, „einer der ersten Städte Ungerns“, spricht:

13 Ebd., S. 294. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 3, S. 241. Vgl. auch Schlegel,
Friedrich: Über die neuere Geschichte. Vorlesungen, gehalten zu Wien im Jahre 1810. In: F.
Schlegels sämtliche Werke. Bd. 11. Wien: Ignaz Klang, 1846, S. 366 f.

14 Bruchstücke über Ungarn. In: Zeitung für die elegante Welt, 8. May 1802, 1. Halbband, Nr.

55, Sp. 433-436. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 3, S. 161-163. Ausführlicher

darüber siehe X1/4.

Arndt, Ernst Moritz: Erinnerung an Ungern, S. 275. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn,

Bd. 3, S. 229.

16 Arndt, Ernst Moritz: Brief an den Vater, Wien den 6. 9. 1798. In: Arndt, Ernst Moritz: Briefe.
Bd. 1. Hg. v. Albrecht Dühr. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1972-1975, S.
21-23.

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