Dem Profil des Neuen Teutschen Merkurs wurden vor allem die vielen
Auslandsberichte über die Literatur und Kultur des Königreichs Ungarn
gerecht. Dem belletristischen Angebot gemäß standen freilich im Mittelpunkt
der jeweiligen Vorstellungen vor allem Gedichte von ungarischen und
ungarndeutschen Schriftstellern.
„Die teutschen Dichter in Ungarn wetteifern mit den ungarischen
Nationaldichtern“” — so lautet die Stellungnahme eines Berichterstatters
im März 1803. Im Grunde genommen könnten mit diesem Satz alle
Korrespondenznachrichten aus Ungarn im Neuen Teutschen Merkur von 1802
bis 1808 gekennzeichnet werden. Denn darum ging es in diesen immer: um
den überzeugenden Nachweis des gemeinsam unternommenen produktiven
„Wetteiferns“ bei den Anstrengungen für die Bildung des ganzen Landes.
Von einer bewussten Auswahl der Werke ist dabei kaum etwas zu sagen,
man hat jain den eingesandten Artikeln eigentlich alles aufgelistet, was auch
immer den Merkurkorrespondenten unter den zeitgenössischen Umständen
nur zugänglich war.
Aus der ungarndeutschen Poesie erhielten vor allem die Gedichte der
Musenalmanache von Rösler und Rumy, die drei Hefte der Ungrischen
Miscellen von Lübeck und die Gedichte von Therese Artner die größte
Anerkennung. Um das Niveau der deutschsprachigen Lyrik der Ungarn zu
veranschaulichen, wurden auch manche Proben den Lesern des Merkurs
nachgedruckt, so u. a. von Johann Conrad Bexheft, Johann Karl Unger,
Karoline von Wieser, Jacob Glatz, Therese Artner (jeweils 1 Gedicht), und
Christoph Rösler (4 Gedichte!).
Die Merkurkorrespondenten aus Ungarn sowie der Herausgeber der
Zeitschrift, Karl August Böttiger, versuchten damit teils den zeitgenössischen
Erwartungen, teils ihrem programmatischen Vorhaben gerecht zu werden. So
war z. B. der Nachdruck des Gedichtes Mein Vaterland, beim Anfange des 19ten
Jahrhunderts von Rösler®® im Jahre 1802 deshalb von besonderer Bedeutung,
weil es das charakteristische „Ungarische“ der Zeit, d. h. das patriotische
Engagement für den kulturellen Aufstieg des Landes nachempfinden ließ.
Außerdem bot auch das spezifische „Genre“ des Jahrhundertwendegedichts
an sich schon außerordentliche Möglichkeiten an, um der Aufklärung
verpflichtete Entwicklungsperspektiven im Sinne des Merkurprogramms
auszusprechen.
52 NTM 1803, H. 3, S. 215. Verfasser nach Starnes, Prosa-Artikel, S. 180, Nr. 723: „Ohne
Unterz. [Rumi].“
53 Die Besprechung des Gedichtes siehe in Kap. III/7. Der Nachdruck aus dem Musenalmanach
von 1801 erschien im NTM, 1802, H. 7, S. 210-213. (Gedicht von Rösler, Artikel von
Blöttiger] unterzeichnet). Starnes, Prosa-Artikel, S. 213, Nr. 1029.