XI. DER NEVE TEUTSCHE MERKUR ALS QUELLE...
Dies war natürlich für den ungarndeutschen Verfasser eine „ironische
Wahrheit“. Und wenn er auch als echter Reformist und realpolitisch denkender
Intellektueller nach 1800 jede Revolution ablehnte, war er keineswegs
bereit, die von vornherein entschiedene Ablehnung aller Veränderungen zu
akzeptieren:
Ich kann es mir durchaus nicht erklären, woher es kommen mag, daß nach dem
Krieg und der Französischen Revolution, deren Ereignisse gewiß weit mehr für
Monarchien als für Demokratien sprechen — nach zehnjährigen Experimenten,
an denen Könige und Völker sich hätten bespiegeln können und sollen — nach
diesem neuesten, lebhaft eingreifenden Unterricht; — bei diesem Ungarischen
Reichstag, der sich durch eine Sammlung von gewählten energischen Männern
auszeichnete, die durch die Josephinische Generation aufgeklärtere Grundsätze
erhielten, bei diesem dem König und dem Volke günstigen Zeitpunkte, wo der
Aristokratism seine blinde Selbstsucht theils ablegte, theils durch ein dunkles
Gefühl seiner Schwäche nachgiebig war, — warum, sage ich, bei diesem Reichstag
man den Grundsatz voranstellte, daß an Änderung, Verbesserung, Modifikation
der Verfassung gar nicht zu denken sey. Dieser Grundsatz wurde schreiend
angekündigt, und [...] jauchzend angenommen.”
Die Idee der Monarchie vertrat Karl Georg Rumy einerseits aus reinen
realpolitischen Gründen, wobei er u. a. von den heterogenen Interessen
innerhalb des Landes ausging: „Ungarn ist zu sehr politisch zerrissen |[...]“
— schrieb er — „zu heterogen in seinen Theilen, die einzelnen partiellen
Vortheile sind einander zu entgegengesetzt, als daß auf einem andern Wege
[...] das kräftige Zusammenwirken auf einen Zweck erlangt werden könnte.“ ?°
Andererseits konnte er sich eine Entwicklung, dievon der Monarchie wegführt,
nur durch die Erziehung einer neuen Generation innerhalb der Monarchie
vorstellen. Er sah dabei freilich ein, dass es dazu in den angehenden Jahren
des 19 Jahrhunderts im Königreich keine realpolitischen Chancen gab:
Eine Möglichkeit [...], die aber sehr unwahrscheinlich ist: eine neue Generation
müßte dazu gebildet werden, folglich eine halbhundertjährige Regierung die auf
diesen Zweck durch Erziehung hinarbeiten, alle Hindernisse mit fester Hand
wegräumen möchte. Dies ist aber theils [...] unwahrscheinlich, theils wegen
Lokalumstände [...] vielen Hindernissen ausgesetzt?"
Vom Landtag des Jahres 1802 war er schließlich ähnlich enttäuscht wie die
Vertreter der Reformbewegungen zweieinhalb Jahrzehnte später, nach dem
30 Ebd., S. 100.
31 Ebd., S. 101.