4. NUANCEN DES GLÜCKS IN POETISCHER UND HISTORISCHER SICHT
obwohl seine Muttersprache deutsch war, und deutsch ware er auchim damals
noch immer tiberwiegend deutschsprachigen Pest nicht nur besser, sondern
ohne Zweifel auch von allen Anwesenden verstanden worden. Trotzdem
bedankte man sich nicht nur fiir das hervorragende Konzert, sondern auch
für die französisch gehaltene Rede mit einem frenetischen Beifall.”
Das historische Unglück der Ungarn im Jahre 1849 ist möglicherweise
zum Teil auch ihrer zunehmenden sprachlichen Intoleranz zuzuschreiben,
indem schließlich z. B. auch manche früheren deutschen Sympathisanten
in Siebenbürgen einmütig gegen Kossuth und für die Monarchie Stellung
nahmen. Man braucht dazu nur manche der höchst beachtenswerten
Patriotischen Stoßseufzer von Joseph Marlin, einem der wenigen Siebenbürger
Deutschen, die sich mit der Sache von Lajos Kossuth 1847 noch verbunden
fühlten, zu lesen."
Dreißig Jahre vor und nach 1800 hatte aber der Nationalitáten trennende
Sprachnationalismus im kulturellen Leben Ungarns vorübergehend noch
überhaupt keinen Náhrboden.
4. NUANCEN DES GLÜCKS IN POETISCHER UND HISTORISCHER SICHT
Dass die Glückserwartungen der vielen Einwanderer im 18. Jahrhundert
nicht ganz unbegründet waren, dokumentieren vor und nach 1800 zahlreiche
poetische Belege den Reichtum, die soziale sowie innen- und außenpolitische
Sicherheit des Landes und bei allen zeitkritischen Stellungnahmen auch die
fortwährend vorhandenen Möglichkeiten des kulturellen sowie eines mäßigen
wirtschaftlichen Aufstiegs seiner Bevölkerung - alle verfasst von damals
bereits eingebürgerten Deutschen und von deutschsprachigen Adligen. Man
bestätigte in literarischen Werken immer häufiger - nun bereits von innen
— die ewigen Klischees deutscher Ungarnbilder, so u. a. von der Schönheit
und dem glückverheißenden üppigen Reichtum des Landes.'* Wenn folgende
alkäische Strophen aus einer in Pest veröffentlichten Ode nicht im Jahre
1811, als die Einwanderungszeit der Deutschen eigentlich schon vorbei war,
sondern etwa sieben Jahrzehnte davor geschrieben worden wären, so hätte
man sie auch als einen Werbetext für Neusiedler lesen können:?
12 Siehe dazu die Artikel in „Jelenkor“, 9. u. 11. Januar 1840, Nr. 3, S. 17 u. Nr. 4, S. 13 f,
sowie „Regelö“, 19. Januar 1840, Nr. 6, S. 45. Vgl. auch Mihäly Vörösmarty: Összes müvei
[Sämtliche Werke]. Bd. 3. Budapest: Akadémiai Kiadó, 1962, S. 218.
3 Vgl. dazu Kap. VI/3.
4 Vgl. dazu Kap. XIV1.
15 Dorion, D. C.: Pannonia. Eine Ode am Altare des Vaterlandes [Die Strophen 3, 4, 6, u. 8].
Pesth: Trattner, 1811, 10 S. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 1, S. 98 f. Vgl. dazu
auch die Besprechung der Ode unter einem anderen Aspekt im Kapitelteil V/3 sowie hierzu
ebd., die Strophen 19-25 aus dem mittleren Teil des umfangreichen Gedichtes.