IX. BELLETRISTISCHE PROSATEXTE DES DEUTSCHSPRACHIGEN UNGARN UM 1800
Ich hob hitzunder Zeit zum recignoscirn, denn obwohl ich in Vetern anmol
gschrieben hob, dass ich heuer, wall ich in die fiinfti Schull kummen bin, wo so
verschideni hübschi Gschichteln verzählt werden, an Freud hob zum Studirn, so
ists doch schon aus bei mir mit der Studi, do wird olles Lateinisch hexplizirt und
do konn ich nit furt, nochher gschicht am noch öfter ach an Sortiz vom Professor;
und der Moadin de do fost olli Tog auf die Nocht zu mein Kostherrn seiner Nani
kummen, hôgln mich ach schon ollerwoal, dass ich schon gegen die ondern
Studenten ols wia an Voder bin, und so Gschichten. Gestern bin ich dos erstimohl
aus der Schull ausblieben, und hitzunder geh ich gwiß nimmer eini. [...]
[...] Ich woas zwar noch nicht wos ich mochen soll, denn wonn ich von Studirn
aufhear, so bin ich kan Student, und nix mehr ober in die Schull geh ich richtig
nimmer, denn mein Professor hot mir selber gestern gerothen, wall ich ihm gsogt
hob, dass ich dos Loteinische nit versteh, ich soll dos Schullgehen aufgeben, geh
der Herr Vetter nur hin zu ihm, er wird engs schon selber sogen, dass ich nix
meahr für die Schullner bin, und dos ich mich liaber zu wos ondern apprizirn soll,
ich woas nur noch nit zu wos??
Dieser Tiefpunkt, die Angst — wie es nach dem hoffnungslosen Verweis aus
der Schule im gleichen Brief heißt -, ein „Pflostertretter“, d. h. ein unnützer
Großstadtvagabund, sein zu müssen, wurde aber dank der lebensbejahenden,
humorvoll optimistischen Haltung des Helden rasch überwunden. Schon
im gleichen Brief machte er sich erste Gedanken über seine Einstellung bei
der Stadtverwaltung. Wenn auch dieser Entschluss nicht nur wegen der
mangelhaften Bildung, sondern auch wegen seiner nicht nachweisbaren
Pest-Ofener Bürgerrechte allzu sehr gewagt sein musste, so versuchte er im
Spiegel sämtlicher Briefe (vom 4. Brief des ersten Heftes bis zum letzten, dem
21. Brief) doch konsequent und mit allen geschickten Mitteln, so z. B. durch
persönliche Beziehungen und verschiedene Gefälligkeiten (die Korruption
nicht ausschließend),”' zur Stadtverwaltung berufen werden zu können,
was — welch ein Wunder! - ihm schließlich laut letzten Briefes auch gelang.
Darüber wurde dem Vetter mit enthusiastischen Worten berichtet:
Brafo, i bins schon, nit wahr? i hab gwust, dass mein Tokayer treibt, vor vier
Wochen war i noch ein Student, und heint hab i schon in ein Kanzley einisetzen
30 4, Brief des ersten Heftes, S. 18 f.
3 Im siebten Brief des ersten Heftes S. 29-32. unterstützte die Karriere des Michael
Rachschmiml eine Gans (seinen Gönnern geschenkt), ebenda im 10. Brief (S. 41 ff) die Idee
der zu spendierenden „Tokayer Putelien“, die letzten Endes im 21. Brief des zweiten Heftes
(S. 45 ff) zu dem ersehnten Erfolg führten.