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VII. DEUTSCHSPRACHIGE SCHAUSPIELKUNST UND DRAMATIK IM ALTEN PEST-OFEN

das erhoffte Ziel unbedingt erreicht zu haben. Eine Aufzeichnung des
Hallenser Buchhändlers Friedrich Christoph Dreyßig, der 1784 während
einer Geschäftsreise die ungarische Aufführung eines Dramas durch Ofner
Schauspieler erlebte, schilderte den mehr als fragwürdigen Erfolg mit den
folgenden Worten:

Am Fuße des Festungsberges steht noch ein Comödienhaus. Ich besuchte es,
verließ es aber bald wieder, da heute ungarisches Schauspiel war. Für einen echten
Ungarn soll dies aber eine wahrhafte Comödie sein; denn da viele Schauspieler gar
nicht ungarisch sprechen können und doch ihre Rolle herbeten, so sollen sich die
größten Mißverständnisse daraus ergeben, welche die Zuschauer im traurigsten

Trauerspiel lachen machen.”

Erste voriibergehende Ergebnisse des ungarischen Schauspiels konnten in
der Hauptstadt des Königreichs eigentlich nur zur Zeit der Ofner Landtage
bzw. unmittelbar danach jeweils fiir wenige Jahre erzielt werden. Dabei
setzte sich das deutschsprachige Ungarn mit imposanter Konsequenz fiir
die Förderung der ungarischsprachigen Kultur ein. Johann Ludwig Schedius,
ungarndeutscher Professor für Ästhetik an der Pester Universität, hat z. B.
1792 an der Seite von Ferenc Kazinczy auch bei der Eröffnung des ersten
ungarischen Theaters in Ofen von Läszlö Kelemen Pate gestanden. Der
zipserdeutsche Jacob Glatz verstand die Bedeutung dieses Unternehmens
auch Jahre später noch zu würdigen:

Bey dieser Gelegenheit will ich auch einiges über das ungarische National-Iheater
in Pesth sagen. Vor einigen Jahren kam [...] hier eine ungarische Schaupieler¬
Gesellschaft zu Stande, deren Mitglieder meistens von Adel waren. Ihre Absicht war,
den Geschmack der Nation nach und nach zu veredeln, sie für feinere Unterhaltung
zu stimmen, den Patriotismus zu wecken und zu erhalten, und bey dieser Gelegenheit

auch die vaterländische Sprache mehr auszubilden. Ein sehr schöner Zweck.’?

Dass dieses Theater kurz nach dem Ofner Landtag, als der ungarische Adel
Ofen verließ wegen mangelnder Rentabilität einging, lag ebenfalls — wie im
Falle der ungarischen Presseerzeugnisse - in erster Linie an dem fehlenden
ungarischen Publikum und weniger an den divergierenden Geschäfts¬

Rexa, Dezső: Az első magyar színielőadások Pesten €es Budän [Die ersten ungarischen
Bühnenaufführungen in Pest und Ofen]. In: Tanulmänyok Budapest mültjäböl [Studien aus
Budapests Vergangenheit]. Red. v. Albert Gardonyi u. Karoly Némethy. Bd. 3. Budapest: 1934,
S. 129. Vgl. auch Karl M. Kertbeny: Zur Theatergeschichte von Budapest. In: Ungarische
Revue. Bd. 1. Leipzig / Berlin / Wien: 1881, S. 639.

[Glatz, Jacob]: Freymüthige Bemerkungen eines Ungars über sein Vaterland. Auf einer Reise
durch einige Ungarische Provinzen. Teutschland: 1799, S. 323-325. In: Deutschsprachige
Texte aus Ungarn, Bd. 3, S. 46-48.

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