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2. DIE ENTWICKLUNG DER DEUTSCHSPRACHIGEN SCHAUSPIELKUNST IM 18. JAHRHUNDERT

2. DIE ENTWICKLUNG DER DEUTSCHSPRACHIGEN
SCHAUSPIELKUNST IM 18. JAHRHUNDERT

Im letzten Drittel des aufgeklärten Jahrhunderts öffneten sich innerhalb
einer historisch gesehen äußerst kurzen Zeit die Städte des ganzen deutschen
Sprachraumes fiir das TIheaterleben. Es verhieß nämlich gerade im Sinne
der aufgeklärten Ideen jener Jahre die Freude an echtem Kunsterlebnis von
bleibendem Wert, d. h. eine Unterhaltung vom Niveau bei gleichzeitiger
Reinigung des Geschmacks, ja des Charakters. Somit verhieß es auch den
damals bereits Jahrzehnte lang propagierten sozialen und moralischen
Aufstieg der Menschen durch Bildung. In diesem unseren Zusammenhang
sei hier nur an allgemein Bekanntes aus der deutschen Kulturgeschichte
des 18. Jahrhunderts erinnert — an Gottscheds Leipzig, Lessings Hamburg,
Schillers Mannheim und schließlich Goethes und Schillers Weimar bzw. an
die einschlägigen theaterhistorischen Ereignisse und theoretischen Schriften.
Unter unserem königlich-kaiserlichen Aspekt dürfte dabei freilich auch
Sonnenfels’ Wien und die Eröffnung des Wiener Hof- und Nationaltheaters
von 1776 nicht belanglos gewesen sein.'*

Es ist beeindruckend, dass die anspruchsvollsten deutschen Schauspiel¬
truppen wie z. B. die von Karl Wahr, Emmanuel Schikaneder, der Ballett¬
Tänzer-Familie Schmallögger, weiterhin von Johann Babtist Bergopzoom,
Hubert Kumpf, Christoph Seipp u. a. etwa gleichzeitig mit diesen
theaterhistorischen Prozessen in Deutschland mitihrem Angebot bereits auch
der zunehmenden Nachfrage der Bürger und Beamten in den verschiedensten
Städten des ungarischen Königreichs kontinuierlich entgegenkamen.

Um den vor und nach 1800 diesen stets zunehmenden höheren Ansprüchen
gerecht werden zu können, nahm freilich auch die Zahl der Akteure der
jeweiligen Schauspieltruppen kontinuierlich zu, wobei freilich auch deren
fachliche Gliederung laufend differenzierter wurde. Christoph Röslers
Ofner Kalender von 1809 (drei Jahre vor der Eröffnung des großen Theaters)
hielt z. B. hierzu bereits folgende stolze Angaben über die Pest-Ofener
Schauspielgesellschaft fest:

Eine und dieselbe Gesellschaft in Ofen sowohl als Pest. Pächter und Director für
1808 Aloys Cibulka. Gesammtes zum "Iheater gehörige Personale 101. Darunter
jetzt 11 Schauspieler und 6 Schauspielerinnen (ohne Kinder), 8 Operisten, 4 Operis¬
tinnen, 6 Choristen, 6 Choristinnen, 2 Souffleurs. Das Orchester 26 Mann stark.

4 Siehe hierzu Edit Malyuszné Csäszär: A nemet szineszet hazankban [Das deutsche Schauspiel
in unserem Lande]. In: Magyar szinhäztörtenet [Ungarische Theatergeschichte]. 1790-1873.
Budapest: Akademiai Kiadö, 1990, S. 36.

155 Kalender von Ofen und Pest für 1809. Hg. v. Rösler. [1808?], S. 47.

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