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6. HOFFNUNGEN AUF DIE VERWIRKLICHUNG DER AUFGEKLARTEN IDEALE IN UNGARN

wurde) allmählich in die ferne Zukunft.** Schiller und der Ungar Csokonai
kamen z. B. unabhängig voneinander schon in den mittneunziger Jahren auf
Gedanken, dass solcherart Träume der Menschheit erst „nach Jahrhunderten“
verwirklicht werden könnten.”

Auch der Verfasser der Elegie vertrat 1807 diese seinerzeit geläufig
gewordene Ansicht, indem er sich darüber folgendermaßen äußerte:

Rechnet die Zeiten nach vielen Jahrhunderten, denkt dann das Ziel erst.
Hier in der Mitte der Bahn hat es noch Niemand erreicht.
Langsam, aber bestimmt, nicht zwecklos fügen wir Steine

Zu dem Tempel des Glücks, welchen die Zeit erst erbaut.°°

Dieser „Tempel des Glücks“ könne nach dem deutschsprachigen Verfasser
nur „langsam“, das heißt durch das stets bedachte Fortschreiten zur
„Vollendung“, erbaut werden. Voraussetzungen dafür seien zeitaufwendige
Bildung und innere Reife für die freie Entfaltung jedes Einzelnen wie auch
der Nation: „Wenn gleich langsam, doch reifen im Freyen die Früchte weit
besser“ — heißt es im Gedicht. Unterdessen müsse im Laufe der Entwicklung
jeder unbegründete „Sprung“ konsequent vermieden werden. Diese für die
ungarndeutsche Dichtung im angehenden 19. Jahrhundert charakteristische
ideologische Attitüde weist indirekte Beziehungen zu einer ganzen Reihe
vor der Französischen Revolution entstandener (wie auch späterer, bereits
revolutionskritischer) Denkmodelle der deutschen Elite?! auf:

Lasst uns die Stuffen erklettern! Der kühnere Sprung ist oft schädlich.
Ist sie gereift diese Kraft, dann erst bewähre sie sich,
[...] die steigende Bildung ist bleibend, und lässt nicht wie jene

Kränkelnde Herzen zurück, wenn sich das Wissen vermehrt.??

28 Siehe dazu meine Überlegungen in „Schillers letzte Gedichte im Kontext zeitgenössischer
deutscher Lyrik“ u. d. T. „Die fliehende Utopie“ (Schnittpunkte Bd. 2.)

Weiteres zur Schiller-Csokonai-Parallele siehe in meiner Studie ,,... er war [auch] unser“
— Ungarns Friedrich Schiller. In: Im Schatten eines anderen? Schiller heute. Frankfurt am
Main: Peter Lang, 2010, S. 208 f. (= Budapester Studien zur Literaturwissenschaft, Bd. 16).

30 Elegie an mein Vaterland, S. 16. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 1, S. 141.
(Hervorhebung im Originaldruck vom Dichter.)

31 Vgl. hierzu u. a. die einschlägigen Passagen in J. G. Herders „Ideen zur Philosophie der
Geschichte der Menschheit“, 1784-1791 [z. B. 3. Teil, 15. Buch] und in seinen „Briefen zur
Beförderung der Humanität“, 1793-1797 [z. B. 2. Sammlung, 25. Brief, sowie die Briefe
aus der 1792 unveröffentlichten Sammlung]. Siehe auch F. Schillers Brief an den Herzog
Friedrich Christian von Augustenburg v. Jena am 13. 07. 1793 sowie seine Briefe „Über die
ästhetische Erziehung des Menschen“, 1795.

32 „Elegie an mein Vaterland“, S. 15. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 1, S. 141.
(Hervorhebungen im Originaldruck vom Dichter.)

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