Christoph Rösler brachte diese seine ungarnverbundene patriotische,
aufgeklärte Weltsicht vielleicht am eindrucksvollsten in dem Gedicht Mein
Vaterland zum Ausdruck, das er fast gleichzeitig im In- und Ausland
(in Preßburg und in Weimar) veröffentlichen ließ”. Dem Untertitel Beim
Anfange des neunzehnten Jahrhunderts entsprechend gehört es in eine Reihe
der unzähligen zeitgenössischen deutschen Jahrhundertwendegedichte,
die mit ihrer ideologischen bzw. national- und weltpolitischen Bilanz über
Erreichtes und Erwünschtes in ihrer Zeit gehaltstypologisch eine eigene
Gattung für sich bildeten. Und doch ist das Röslergedicht ein durch und
durch originales und individuell geprägtes Produkt der ungarndeutschen
Poesie. Deutsch durch die Sprache, weltoffen durch die aufgeklärte
Bildung und Sichtweise und ungarisch durch das rührende Bekenntnis
zum Vaterland ist es ein Gedicht, das neben Bredetzkys Vaterlandsode
und Grubers Pannonienhymne jene typischen Eigenheiten aufweist, die
um 1800, thematisch fest an die zeitgenössische ungarische Literatur
gebunden, in Keimen einen spezifischen ungarndeutschen Weg innerhalb der
deutschsprachigen Literaturentwicklung vorzeichnen. (Dass es dazu doch
nicht kommen konnte, war um 1800 noch nicht abzusehen.)”*
Im Wesentlichen unterscheidet sich das Rösler-Gedicht von Bredetzkys Ode
und Grubers Hymnus in den Zeitstrukturen der poetischen Anschauungsweise.
Die letzteren bewegen sich grundsätzlich zwischen Vergangenheit und
Gegenwart, Röslers utopische Sicht führt dagegen von der Gegenwart des
Vaterlands in ein ideales Zukunftsbild. Wenn auch alle drei Gedichte vom
utopischen Fortschrittsglauben durchdrungen sind, so kommt dies selbstver¬
ständlich im Röslerschen Blickfeld zwischen Gegenwart und Zukunft am
deutlichsten zum Ausdruck. Bezeichnend ist allerdings, dass sich die Betrach¬
tungsweise in keinem dieser Gedichte nur auf die einfache antithetische
(später auch für die Romantik typische) Formel von positiver Vergangenheit,
negativer Gegenwart bzw. positiver Zukunft bringen lässt. Es überwiegt bei den
jeweiligen Gegenüberstellungen die aufgeklärte Anschauungsweise, die Gutes
mit Besserem vergleicht. Das Schlechte und Verwerfliche als Antithese wird
dabei jeweils auf Nebengleise der poetischen Denkstrukturen rangiert.
So stellte Rösler im ersten Teil des Gedichts — wie in vielen anderen seiner
Lieder - die üppig blühende Natur des ungarischen Vaterlands, im zweiten die
urwüchsigen, natürlichen Charakterzüge des ungarischen Volkes dar, letzteres