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3. EIN DEUTSCHER HYMNUS AN PANNONIA

Alles entschwand mir plötzlich, o Mutter, kehret nicht wieder! — —""

Tatsáchlich erreicht mit diesen stark ich-bezogenen Stellen die lange poetische
Lekttire kurz vor ihrem Ende einen lyrischen Hoéhepunkt. Danach scheint
auch der patriotisch hochschwingende Ausklang nicht mehr erzwungen zu
sein, wenn das Vaterland, „Mutter Pannonia“, noch einmal angefleht wird
und schließlich der letzte, mit effektvollen Zäsuren bewusst zerhackte,
stammelnde Hexameter mit dem plötzlich einschneidenden Wort „hier sterb
ich!“ abbricht. Damit verschwinden ihre lebhaften Bilder, ohne die es für den
Dichter kein Leben gibt:

Mutter, ich scheide — Seh ich dich wieder, Menschengeliebte?
Nimmer vielleicht? — So tönet mir allzeit das schreckliche - Nimmer
Bebend ins Ohr. Erhebe mich Mutter! — Du schwindest! — Hier sterb ich!°°

Dieser ausklingende Vers verdichtet die poetische Idee des ganzen patriotischen
Poems, den feierlichen Gedanken von der unlösbaren Verbundenheit des
Dichters mit seinem Vaterland bis zu seinem Tode.

Dieses enthusiastische „Hier leb ich — hier sterb ich“ des Carl Anton
Gruber gehört als potenzierter Ausdruck einer (größtenteils historisierten)
ungarischen Vaterlandsliebe zu den gehaltstypologischen Grundmotiven der
ungarndeutschen Poesie um 1800. Es lässt sich recht oft belegen, in Ofen und
Pest z. B. in Johann Paul Köffingers Liedern für Ungerns Bewaffnete,’‘ sowie
in Johann Karl Lübecks Almanach-Lyrik und besonders deutlich u. a. in den
folgenden zwei Strophen des am 27. Juni 1807 in Leyrers Pester Zeitung für
Herren und Damen unter dem Titel Nationalstolz erschienenen Gedichts von
Christoph Rösler:

Die Reitze unsrer vaterländ’schen Auen,

Den Werth der vaterländ’schen Nation

Soll ohne Rührung sie erkennen, schauen,
Und ohne Selbstgefühl des Landes Sohn?
Und das Verdienst der Väter alter Zeiten

Soll nicht auf sich des Enkels Stolz es deuten?

Gruber, Hymnus an Pannonia, S. 39. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 1, S. 128.
5 Ebd., S. 40. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 1,5. 128.

Köffinger, Johann Paul: Lieder für Ungerns Bewaffnete. Panonien [sic!]: 1809, S. 16. In:
Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 1, S. 180-185. Zu den Gedichten dieses Bandes v.
Köffinger siehe auch Kapitelteil V/4/b.

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