III. DIE DICHTUNG DER DEUTSCHSPRACHIGEN
UNGARN UM 1800"
Jene Art deutschsprachiger Dichtung, von der ich im Weiteren berichte,
hatte in Ungarn um 1800 nichts mit ungarndeutscher Folklore gemeinsam,
sie wurde auch nicht im Mindesten von der Volksdichtung ungarndeutscher
Bauern beeinflusst. Die deutsche Nationalität bildete ja in Ungarn um
1800 eine „Rumpfsozietät“” — nicht nur ohne eigenen Landadel, sondern
in kulturhistorischer Hinsicht auch ohne fruchtbare Kontakte zwischen
deutschsprachigem Bürgerstand und Bauerntum. Land- und Dorfleben —
soweit sie in dieser Lyrik thematisch belegt werden können — wurden von
den jeweiligen Autoren in einer der Aufklärung verpflichteten, urbanen Sicht
höchstens von außen bewundert,’ ersehnt* oder verlacht: Die letztere
Sorte soll an dieser Stelle eine kleine Probe aus dem anonymen Heubauer¬
Lied (1. und 3. Strophe) veranschaulichen:
1. Szivem’ Weib, mein liebe Katti
Liebe Bui, und liebe Madli!
Geht schon Welt auf ihre End?
Hat sie nur mehr unser Holter
Und die strenge Herr Verwolter
Willick mack mein Testament.
Der ursprüngliche Text dieses Kapitels erschien 1989 unter dem Titel „Patriotismus und
nationale Identität im Spiegel der deutschsprachigen Dichtung im Königreich Ungarn
um 1800“ im Bd. 4 der „Berliner Beiträge zur Hungarologie“, 1989, S. 7-55. Bei seiner
Vorbereitug für die erneute Veröffentlichung wurde er bei manchen Streichungen auch mit
einigen Passagen aus meinem Habilitationsmanuskript von 1994 und den Begleitschriften
zu meinen Textausgaben der ungarndeutschen Dichtung (von 1996 bis 2000) ergänzt.
Beller, Bela: A magyarorszägi németek rövid törtenete [Kurze Geschichte der Deutschen in
Ungarn]. Budapest: Magvetö Kiadö [Magvetö Verlag], 1981, S. 9-11.
Siehe dazu Partien im „Hymnus an Pannonia“ von Carl Anton von Gruber, so u. a. mit den
Bildern von der Puszta, dem Bakonyer Wald, den Schemnitzer Bergwerken, dem Plattensee,
dem Tokayer Gebirge etc. In: Gruber, Carl Anton von: Hymnus an Pannonia. Wien: Anton
Pichler, 1804, S. 48. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 1, S. 120-131.
Vgl. dazu den „Kirchtag“ von Therese von Artner. In: Feldblumen auf Ungarns Fluren
gesammlet von Nina (Marianne Tiell) und Theone (Therese Artner). Bd. 1. Jena: J. G. Voigt,
1800, S. 82-90. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 1, S. 38-40.
Ung. ‚szivem‘, dt. ‚mein Herz‘.