OCR Output

II. DEUTSCHSPRACHIGES LITERARISCHES LEBEN
IN OFEN UND PEST UM 1800!

o>

1. LITERATUR UND LITERARISCHES LEBEN

Eine exakte terminologische Differenzierung von Literatur und literarischem
Leben ist in den Literaturgeschichten eigentlich kaum üblich; deshalb sei
dem Titel entsprechend dieses Mal Folgendes vorausgeschickt: Solange
man unter Literatur im allgemeinen die Gesamtheit von Schriften jeder Art
— und bei einer möglichen Einengung des Begriffs sämtliche geschriebene
bzw. gedruckte Texte mit künstlerischem Anspruch - versteht, sehe
ich das Kriterium für literarisches Leben in einem breiten Angebot an
Literatur bei einem gleichzeitig zunehmenden Interesse dafür mit einer
fortwährend breiter auffächernden Nachfrage — wobei auseinanderstrebende
Differenzen von Unterhaltungserwartungen des jeweiligen Publikums sowie
vom beiderseitigen Bildungswillen der Autoren und der Leser und deren
unterschiedlichste Verflechtungen eine bunte Vielfalt auf dem Literaturmarkt
erscheinen lassen.

Das literarische Leben repräsentiert sich stets im Kreislauf des
Rezeptionsdreiecks von Autoren, Werken und Lesern: Je stärker und
markanter sich die Bewegung innerhalb dieses Gefüges durchsetzt und je
vielfältiger darin die Ausdrucksformen des wechselseitigen kommunikativen
Stromes sind, umso intensiver und wirksamer entfaltet es sich auch.
Seine Vielfalt und Intensität motivieren und erhöhen auch Kritiker” und
verschiedene Verlagsvorhaben? sowie Literaturdebatten, die dank den sich
allmählich herauskristallisierenden Differenzen der Ansichten (welcher Art
auch diese sein mögen) bei einer rasch steigenden Anzahl und Frequenz von

Die ursprüngliche Fassung dieses Kapitels wurde als Vortrag während der Tagung
„Die deutsche Sprache und Kultur in Pest, Ofen und Budapest“ (2.-6. Juni 2010) in Tata
gehalten. Dieser erschien in: Kriegleder, W. / Seidler, A. / Tancer, J. (Hgg.): „Deutsche
Sprache und Kultur im Raum Pest, Ofen und Budapest.“ Bremen: edition lumiére, 2012, S.
87-99.

Im Rezeptionsgefüge sind sie zugleich Leser und Autoren, zu ihnen gehören neben
Berufskritikern auch intellektuelle Autoritäten unterschiedlichster Berufe.

Außer der Bedienung der allgemeinen Nachfrage versuchen die Verlage meistens auch
verschiedene Lesergruppen anzusprechen, unter Umständen auch mit diversen Bildungs¬
zielen die jeweiligen Marktinteressen zu beeinflussen.

+ 37 +