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d) Könte man hieher auch rechnen, daß manche die Christnacht als den Zeitpunkt anse¬
hen, wo sie durch gewiße gewählte Zeichen belehrt werden können, ob iemand im
Hause im nächstfolgenden Jahre erkrancken oder gar sterben werde. Zu dem Ende stellt
man so viele Scheiter Holz als Personen im Hause sind, irgendwohin an die Wand,
oder legt so viele Häufcher Salz auf ein Bret in eine Reihe zusammen und giebt iedem
den Namen von irgend einer Person. Fällt nun irgend eins von diesen Scheitern Holz
des Nachts um, oder es stürzt eins von den Häufchen Salz ein, so steht dem, deßen
Name dieses Holz oder Häufchen Salz bekommen hatte, entweder eine harte Kranck¬
heit bevor, oder gar der Tod selbst.

Diesen Aberglauben probirten vor verschiednen Jahren die Dienstmägde in einem
Pfarrhause in Burzenland. Zum Unglück hatten sie die Reihe der ScheiterHolz fest an
einem in Vorhause ofnen Fenster zu stellen angefangen, wo der Hofhund bey der Nacht
wegen der Kälte hineinzukriechen pflegte. Da dieser in dieser Nacht wiederum sein
Schlupfloch aufsuchte, so hatte er das erste Scheit Holz umgestoßen und dadurch war
die ganze Reihe in Bewegung gerathen und umgefallen. Morgens als die Dienstbothen
sahen, daß alle Scheiter Holz auf der Erde lagen, so bildeten sie sich den ihnen und
der ganzen Familie des Hausherrn bevorstehenden Tod ganz sicher ein und verfielen
darüber in eine abzehrende Muthlosigkeit. Alles Fragens ohngeachtet war die Ursache
ihres Kummers nicht herauszubringen. Endlich gewann die Tochter Pfarrers ihr Zutrau¬
en, welche denn, so bald sie das Geheimniß wußte, so gleich auf den Hofhund verfiel
und durch ihre Vorstellungen auch so glücklich war, ihnen aus dem Irrthum zu helfen.
VIII. Bey der Religion. Nicht nur der Wallach, der wegen seiner Unwißenheit in der
Religion berühmt ist, sondern auch der evangelische Bauer fast durchgehends, sezt das
wesentliche der Religion in dem Besuch des öfentlichen Gottesdienstes und der Abwer¬
tung gewißer religiöser Handlungen. Er ist also ein guter Christ, wenn er dem lieben
Gott an den Feyertagen seine Aufwartung mit dem Leibe im Tempel gemacht, das
Abendmahl zur gewöhnlichen Zeit genoßen, und sich übrigens vor groben Ausschwei¬
fungen gehütet hat. Kurz seine Religion ist ein opus operatum. Allein das wesentliche
der christlichen Religion, die Erweckung religiöser Gesinnungen, die wahre Erfurcht
vor Gott, die redliche Beobachtung der Pflichten gegen seinen Nächsten in allen Ver¬
hältnißen, ihm als Christenthum einzuprägen, ist bey seiner blos sinnlich denckenden
Seele bis noch eben so unmöglich als wenn man einen Mohren bleichen wolte. Und
schade, daß auch dieser Schein von Christenthum nach und nach verlöschen muß,
da nach meiner obigen Anmerckung auch der Besuch des öfentlichen Gottesdienstes
iezt selbst bey dem rohen Volcke anfängt seltner zu werden, folglich auch die wenige
Gelegenheiten, wo diese Gattung von Menschen noch zu einigem Nachdencken konte
gebracht werden, weil sie doch wenigstens manchmal eine gute Erinnerung hörten,
vor sie ungenüzt vorbeygehen.

Ohne Zweifel giebt es noch unzählige Gattungen von Vorurtheilen, die mir aber der¬
malen gänzlich unbekant sind. Ich muß mich demnach mit den angeführten begnügen
und nur zur Erzählung der bey diesen Vorurtheilen gebrauchten Mittel schreiten.

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