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gesuchte Interesse seines Hauses. Seine Kinder wachsen also, wenn ihre Unterweisung
dadurch, daß sie unter der Zeit des Schulbesuchs den Eltern keine Dienste im Hause
thun können, diesem Interesse zu widersprechen scheint, ohne Känntniß von Gott
und Religion, ohne Känntniß von den Pflichten gegen den Monarchen, ohne Kännt¬
niß von den Pflichten gegen den Nächsten auf. Daher nimmt ihr ungebildeterVerstand
alles, was man ihnen als Wahrheit verkauft, es mag noch so ungereint und kindisch
seyn, vor wirckliche Wahrheit an, und läßt sich zu allerhand Vorurtheilen und Aber¬
glauben verleiten.

Selbst die so gerühmte Aufklärung der iezigen Welt begünstigt diese Vorurtheile. So
sehr dieienige, welche die so häufig hervortretenden Schriften zu lesen Gelegenheit
haben, durch die darinn enthaltene Wahrheiten in ihrer Känntniß zunehmen, so sehr
ist der gemeine Mann, dem dieser Weg der Aufklärung noch verbaut ist, zurückgeb¬
lieben. Vor diesen ist kein andrer als der bey dem öfentlichen Gottesdienst gegebne
Unterricht zur Aufklärung seines Geistes möglich. Allein da er sieht, daß Leute, wel¬
che vermöge ihrer Aufklärung die Religion nicht im Besuch des öfentlichen Gottesdi¬
enstes sezen, sondern in dem Bestreben gemeinnüzlich zu werden und seine iedesma¬
ligen Pflichten zu beobachten, daß solche Leute, sage ich, öfters die Kirchenversamm¬
lungen versäumen, und er den Grund davon nicht einsieht, so fängt mancher an, durch
das Beyspiel derer, die er selbst vor klüger als sich hält, verführt, zu glauben, daß die
ganze Religion, die bey ihm nichts mehr als den Besuch der Gottesdienstlichen Zu¬
sammenkünfte erfordert, ein Hirn Gespinnst sey, und ebenfalls dieienigen Gelegenhe¬
iten, die zu seinem Uhterrichte nöthig wären, zu versäumen, folglich von aller vor ihn
nöthigen Aufklärung sich auszuschließen, allein eben dadurch in seiner Unwißenhe¬
it noch mehr zuzunehmen und also immer mehr an allerhand Vorurtheilen zu kränc¬
keln.

Ich habe es vor nöthig gehalten, bey der von mir verlangten Nachricht über die noch
herrschenden Thorheiten des Aberglaubens bey dem gemeinen Manne diese wenige
Anmerckungen vorauszuschicken, um theils zu zeigen, daß der Grund von der Fort¬
dauer derselben nicht in der Nachläßigkeit der Lehrer, sondern in Umständen zu
suchen sey, die außer der Sphaere des Lehrers liegen; theils aber auch einigermaßen
einen Wink anzufügen, wie nach u. nach dem Uebel weningstens einigermaßen abge¬
holfen werden könte. Solte darauf Rücksicht genommen werden, daß ieder Geistliche
in dem seinem Amte nöthigen Ansehen erhalten, daß er durch den weltlichen Arm
in seinen Amtsverrichtungen, nicht durch Zwangsmittel, als welche dem Evangelium
ganz zuwider sind, sondern durch die Aufrechthaltung der bürgerlichen Ordnung bey
Alten und Jungen, besonders durch eine vernünftige Abstellung der Ausschweifungen
der Jugend bey den öfentlichen Gottesdienste, wodurch die Andacht und Erbauung
der ganzen Gemeine gestört und der Nuzen des öfentlichen Unterrichts völlig gehem¬
mt wird, unterstüzt würde; daß es ferner nicht der Willkühr jedes Vaters überlaßen
blieb, ob seine Kinder zum Schulunterrichte kommen sollen oder nicht; daß der Le¬
hrvortrag auf den Kanzeln practischer und nach der Fähigkeit des gemeinen Mannes

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