FURSTENSPIEGEL IN DER PROTESTANTISCHEN LITERATUR UND PADAGOGIK
»Wie der Steuermann eines Schiffes immerdar wachsam bleibt, so ist es auch mit
dem scharfsichtigen Geist des Kaisers. Mit fester Hand halt er das Steuerruder von
Gesetz und Ordnung, in kraftvoller Weise treibt er die wachsenden Ströme der
Gesetzlosigkeit zurück, damit das Schiff des Weltstaates nicht in die Fluten der
Das bekannte Sonnengleichnis, eine Reminiszenz von Plato, kommt nicht nur
mit Bezug auf die Sonne, sondern auch in Zusammenhang mit Gold auf (Sonne:
Kap. 43, 51; Gold: Kap. 34, 38).
Im Kapitel 51 können wir die charakteristische Allegorie über Licht und
Wahrheit — wie in der berühmten Bibelstelle bei Malakias (3,20) — Christus
als Sol iustitiae auffinden:
„Die Leistung der Sonne ist es, mit ihren Strahlen die Schöpfung zu erleuchten;
die Tüchtigkeit des Herrschers besteht darin, sich der Bedürftigen zu erbarmen.
Leuchtender aber noch als die Sonne ist der Herrscher, dem die Furcht Gottes eigen
ist; denn die Sonne muss der Ablösung des Tages durch die Nacht weichen, aber
dieser Herrscher weicht nicht dem Zugriff böser Menschen, sondern er bringt durch
das Licht der Wahrheit auch das geheime Unrecht an den Tag.“??
Der Kaiser soll Gott befolgen. Der Weg führt mit dem Gedanken der Verähnli¬
chung mit Gott (Homoiosis) (Kap. 3 und 40) dazu, dass sein erstrangiges Ziel da¬
rin besteht, Gottähnlich zu sein.°* Dies kann nur mit Hilfe der Selbsterkenntnis
erreicht werden, somit erhält die antike Idee eine religiöse Begründung. bzw.
Fundierung®? Der Gedanke Gnothi sauton — die Selbsterkenntnis — führt ihn
zur Bescheidenheit, sodass er die Hochmut und den Stolz ablehnt (Kap. 11).
Die Furcht Gottes (Kap. 15 und 51) gilt als Anfang der Weisheit (Kap. 17 = Ps
111,10: Ein Preislied auf die Wundertaten des Herrn — “Die Frucht des Herrn
ist der Anfang der Weisheit; alle, die danach leben, sind klug.“ und Ijobs 28,28,
Sprichwörter 9,10 und Ecclesiasticus 1,16 — Initium sapientiae timor Domini.).
Wie diese Idee schon von Eusebius, dem Kirchenvater und Kleriker im Hofvon
Konstantin dem Großen, betont wurde.?° Der Mensch soll niemals vergessen,
dass er dem Tode verfallen ist (Kap. 14, 15, 24, 33, 38, 71, 72). Das Gebet bewirkt
Blum, Byzantinische Fürstenspiegel, S. 59.
3 ebd. S.73£.
34 Csizy, Emperor, S. 430.; Hein, Die Definition, S. 86 ff.; Csizy, Katalin K.: Die Definition der Philo¬
sophie in den Werken von Julian dem Abtriinnigen. In: Acta Aacademiae Scientiarum Hungariae,
Bd. 47., Heft 4, 2007, S. 421-431, bes.: S. 427f.
Blum, Byzantinische Fürstenspiegel, S. 33.
36 Csizy, Emperor, S. 426-430.