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FURSTENSPIEGEL IN DER PROTESTANTISCHEN LITERATUR UND PADAGOGIK

Die Mahnreden für Euagoras und Nikokles. Aufgrund dieser Bücher können
wir bereits einen Kanon aufstellen, in dem es anschaulich gemacht wird, wie
sich ein König benehmen soll und welche Pflichten er hat.’ Diese Darstellung
zeigt eine enge Verwandtschaft mit der Abbildung von Platon. Der Philosoph
schrieb in seinem Werk über den Staat, im sechsten Buch skizzierte er be¬
reits die königlichen Eigenschaften, dieses Ihema wurde im Weiteren auch im
Staatsmann (Politikos) angesprochen.

Eine wichtige Gruppe bedeuten die neupythagoreischen Schriftsteller, z. B.
Diotogenes, Sthenidas und Ekphantos, die über den frommen Herrscher, der
als ein irdischer Vertreter der Gottheit gilt, erörtern. Die aus dem 3. und 2.
Jh. stammenden Quellen gelten als Bindeglied zwischen dem Heidentum und
Christentum, weil sie eben die göttliche Berufung des Königs beschreiben. Die
Frömmigkeit, also auf Griechisch Eusebeia oder Hosiotes, in der lateinischen
Sprache Pietas, bildet den Grundpfeiler der Definition des guten Herrschers.°

Werfen wir einen Blick auf die lateinischen Werken. Drei Beispiele sollen hier
bloß angeführt werden. Cicero, einer der bedeutendsten lateinischen Autoren
stellte in seinem Werk De officiis (Von den Pflichten) ein bürgerliches Ethos
dar. Grundsätzliche Begriffe sind honestum und utile — das Ehrliche und das
Nützliche, die sich auf den Nutzen des ganzen Staates beziehen. Es handelte
sich hier um den gemeinen Nutzen, der später während des 19. Jahrhunderts,
nachdem die Ethik und Politik von Machiavelli voneinander getrennt wurden,
eine andere Bedeutung erhielt.

Seneca erörterte in seinem Werk De clementia — d.h. Über die Milde, wie¬
weit der Herrscher großzügig sein sollte. Clementia gilt im Römischen Reich
als eine Haupttugend, besonders wenn wir an den berühmten C/upeus virtutis,
an den Ehrenschild des Augustus denken, den der Senat Augustus für seine
Großmütigkeit (virtus), Milde (clementia), Gerechtigkeit (iustitia) und für seine

” Mandilaras, Basilius G. (Hgg.): Opera omnia. Isokrates. Bibliotheca Scriptorum Graecorum

et Romanorum Teubneriana. Tom. 1-3., Monachii / Lipsiae: K. G. Saur, 2003.; Csizy, Katalin
K.: Emperor and Priest. In: Acta Antigua Academiae Scientiarum Hungariae, Bd. 50., Heft 4,
2010, S. 419-430., bes. S. 425.

Hense, Otto (Hgg.): Ioannis Stobaei Anthologii Libri Duo Posteriores. Tom. 1-2., Berolini:
Weidmann, 1958, Tom. 2., S. 36ff., S. 79-81., 263-279.; Thesleff, Holger: An Introduction to
the Pythagorean Writings ofthe Hellenistic Period. In: Acta Academica Aboensis, Humaniora,
Bd. 24., Heft 3, 1961, S. 7ff.; Delatte, Louis: Les Traites sur la Royauté d’Ecphante, Diotogéne
et Sthénidas. (Bibliothèque de la Faculté de Philosophie et Lettres de l’Université de Liège,
fascicule XCVII), Liège / Paris: E. Droz, 1942, S., 151.; Csizy, Katalin K.: Uber die Relation
zwischen den Tugenden eines Priesters und eines Herrschers. Die Brieffragmente 89a und
89b von Julian dem Abtriinnigen. In: Acta Academiae Scientiarum Hungariae, Bd. 50., Heft
1, 2010, S. 79-87. bes. S. 84—85; dies., Emperor, S. 425ff.

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